/ Wort zum Tag
Philipper 2,3
Gedanken zu Losung/Lehrtext des Tages.
Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den andern höher als sich selbst.
In den ersten Jahren meines Dienstes besuchte ich öfter einen pensionierten Pfarrer. Ich suchte bei ihm Rat, schüttete mein Herz aus und sprach über das, was mich belastete. Er war für mich wie ein „Mentor“, ein väterlicher Begleiter. Was mich noch heute nach über drei Jahrzehnten tief beeindruckte, waren seine Bescheidenheit und seine „Demut“. Es gab keine Begegnung von „oben nach unten“, sondern auf Augenhöhe. Ich fühlte mich ernst genommen und es fiel mir leicht, als junger Pastor über das zu reden, was ich sonst niemandem erzählen wollte. Wenn wir zusammen beteten, waren seine Worte schlicht und ehrlich und ich fuhr immer mit leichtem Gepäck wieder nach Hause. Dieser väterliche Freund und Mentor lebt schon lange nicht mehr.
Schön, dass es solche Menschen gibt. Überall. Gern wäre ich auch so. Aber es kommt vor, dass ich mich dabei ertappe, wie ich mich vergleiche, die Motive anderer kritisch besehe und hinterfrage. Warum tun sie, was sie tun? Wie viel Eigennutz und „eitle Ehre“ schwingt da wohl mit? Schwupps – schon hat es mich erwischt. Ich habe keine Begegnung mehr in Augenhöhe, sondern sehe auf andere runter … Und predige von der Kanzel: „In herzlicher Liebe sollt ihr miteinander verbunden sein, und gegenseitige Achtung soll euer Zusammenleben bestimmen.“
Den heutigen Bibeltext empfinde ich wie ein „Diagnose-Tool“, ein Werkzeug zur Selbstüberprüfung. Es geht nicht um andere, sondern um mich selbst. Ich stehe auf dem Prüfstand und werde nach meinen Motiven befragt: Was ist es, was dich zutiefst bewegt? Warum tust du, was du tust? Für wen machst du es? Spielt der Wunsch nach Anerkennung bei dir keine Rolle? Gefällt es dir nicht auch, wenn man dir applaudiert? Bist du mit dem Herzen wirklich beim anderen oder schaust du auch darauf, was für dich dabei rausspringt? Kannst du es gut ertragen, wenn andere beachtet und geehrt werden?“
Ein Diagnosewerkzeug ist sehr hilfreich, um Störungen anzuzeigen. Aber es ist nicht dafür da, um die Störungen zu beseitigen. Dazu braucht es etwas anderes. Wenn wir den heutigen Bibeltext weiter lesen, wird uns ein Weg gezeigt, wie wir zu einer Veränderung unseres gestörten Denkens kommen. Paulus lenkt den Blick auf Jesus. „Habt im Umgang miteinander stets vor Augen, was für einen Maßstab Jesus Christus gesetzt hat!“ Oder in der Lutherübersetzung: „Seid so unter euch gesinnt, wie es auch der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht.“ Und dann erzählt er von Jesus und seinem Weg aus der himmlischen Herrlichkeit zu uns Menschen. „Er war in allem Gott gleich, und doch hielt er nicht gierig daran fest, so wie Gott zu sein. Er gab alle seine Vorrechte auf und wurde einem Sklaven gleich. Er wurde ein Mensch in dieser Welt und teilte das Leben der Menschen. Im Gehorsam gegen Gott erniedrigte er sich so tief, dass er sogar den Tod auf sich nahm, ja, den Verbrechertod am Kreuz. Darum hat Gott ihn auch erhöht und ihm den Rang und Namen verliehen, der ihn hoch über alle stellt.“ (Gute Nachricht).
Bei Jesus kann ich lernen, was es heißt, nicht zuerst an mich selbst zu denken, sondern den anderen in den Blick und ins Herz zu bekommen. Nein, das ist kein leichte Übung, nichts, was mir ohne Probleme gelingt. Aber weil Umgang abfärbt, wird die Gesinnung meines Herrn auch mich immer mehr verändern. Wenn ich an meinen väterlichen Mentor zurückdenke, dann glaube ich, dass da schon sehr viel von dieser Gesinnung in ihm verwirklicht war. „Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den andern höher als sich selbst.“ Wenn ich das Wort für heute noch einmal in den Blick nehme, wird mir klar: da ist immer noch Lernbedarf. Darum will ich heute besonders darauf achten, mehr von anderen und weniger von mir zu halten. Noch besser: Ich will mich ganz nah an Jesus halten und ihn bitten, dass er meine Sinne nach seinem Sinn prägt.
Ihr Kommentar
Kommentare (4)
Liebe Margit!
Nur eine Kleinigkeit zur Auflistung:
1. Liebe Gott
2. und Deinen Nächsten
3. wie Dich selbst!
Hier geht es nicht um fromm verbrämten Egoismus, sondern um die Grundlage, auf der ich … mehrüberhaupt erst Gottes- und Nächstenliebe praktizieren kann.
Herzliche Segenswünsche aus Wien.
Frank Hegemann
Lieber Herr Helmer,
danke für Ihre inspirierende Kurzandacht, besonders für den Gedanken bezüglich dem "Lernbedarf". Ich bin gerne mit Menschen im Gespräch und will mit Jesus als meinem Lehrer gerne … mehrLernende bleiben - in der Beziehung zu Gott, zu mir und zu meinem Nächsten - Lernende in den verschiedensten Beziehungen - im familiären- beruflichen- und gemeindlichen-sowie übergemeindlichen Kontext. Jedoch möchte ich genauso viel von mir halten wie von den anderen... und habe das Doppelgebot der Liebe dabei im Herzen:
1. Liebe Gott
2. und deinen Nächsten wie dich selbst
- Face to Face - da gibt es zum Nächsten meiner Meinung nach kein Oben oder Unten - Gott liebt meinen Nächsten so wie mich - er ist mein Schöpfer und der Schöpfer eines jeden Menschen auf dieser einen Welt. So wie ich bin hat er mich ausgedacht und deshalb liebt er mich. Er kennt meine Stärken und meine Schwächen. Versöhnungs-und Vergebungsbereitschaft hat er mir im Glauben an Jesus Christus geschenkt. Mit dieser inneren Haltung und Gewissheit darf ich mich von Gott geliebt wissen und in dieser Liebe zu meinem Nächsten leben.
Herzliche Segenswünsche,
Margit Wittig
Auf den jährlichen Männerfreizeiten in Selbitz habe ich einen Bruder kennenlernen dürfen, der geamu so war, wie Ihr "Mentor". Die Gespräche und Gebete mit ihm waren ein Erlebnis. Leider ist er vor … mehreinigen Jahren verstorben - und ich muss eingestehen, dass er mir noch immer sehr fehlt, wenn ich auf der Männerfreizeit bin. Bruder Matthäus war bei der Freizeit das Tüpfelchen auf dem I, und seine Ausstrahlung und Wärme konnte bisher niemand ersetzen. Er hat den heutigen Lehrtext in vollem Umfang umgesetzt.
Danke für diese Worte und Gedanken. - Auch ich hatte das Vorrecht, auch einen solchen Freund zu haben, bei dem ich zu gelegener und ungelegener Zeit anklopfen und vieles ansprechen und abladen … mehrdurfte. - Ein Segen, weit über sein Leben hinaus. Davon zehre ich heute noch im vollzeitigen Dienst und im Umgang mit allem was mir anvertraut ist.