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© Hannah Busing / unsplash.com

15.05.2020 / Andacht / Lesezeit: ~ 5 min

Autor/-in: Elke Drossmann

Ein Abendlied (Psalm 4)

Wie schließe ich den Abend ab? Ein Lied ist auch abends nicht verkehrt.

Immer ein Lied auf den Lippen

Wenn der Abend sich in meiner Kindheit dem Ende entgegen neigte und die Schlafenszeit nahte, wurden Lieder angestimmt. Mal war es „Der Mond ist aufgegangen“, mal „Nehmt Abschied Brüder“ oder auch ein Kanon, den alle auswendig konnten: „Der Herr denkt an uns und segnet uns“.

Später, als ich studiert habe, haben wir öfter am Ende eines Abends gesungen „Abide with me“ – „Bleib bei mir, Herr, der Abend bricht herein“ (EG 488). Noch heute singe ich dieses Lied gerne und verbinde damit schöne, unbeschwerte Abende, die bewusst in Gottes Hand gelegt wurden, bevor wir wieder auseinander gingen.

Mancher singt vielleicht im Dunkeln Lieder, um das Dunkel der Nacht zu durchdringen. Lieder können in der dunklen Jahreszeit auf dem Nachhauseweg Angst vertreiben und das Glitzern der Sterne fasziniert auf einmal.

Gebete und Abendlieder schließen sich nicht aus                

Abendlieder, die ich als Christin kenne, sind oft auch Gebete und stehen damit in einer alten Tradition, nämlich der jüdischen Gebetslieder. Sie finden sich im Alten Testament als Psalme. 150 ganz unterschiedliche Lieder wurden in einem Gesangbuch zusammengefasst, das ich bis heute in meiner Bibel finde.

Viele Texte aus den Psalmen sind immer wieder neu vertont worden, wie Psalm 23. „Wunderbarer Hirt“, Text und Melodie stammen aus dem Jahr 2004 von Lothar Kosse.

Ein Lied, das in der Lutherbibel mit „Ein Abendgebet“ überschrieben ist, ist Psalm 4. Dieses Gebet wurde vor Tausenden von Jahren gesungen. Vorgesungen und vielleicht mit einer Harfe begleitet (V. 1). Die Melodie ist nicht mehr überliefert, aber der Text ist erhalten geblieben. Eine Art Mustergebet für ein Abendlied oder ein Abendgebet.

Was sind die Themen am Abend? Was packt David, der König und Hirte Israels, in das letzte Gebet am Tag?

David braucht ein offenes Ohr. Jemanden, bei dem er alles loswerden kann, was ihn am Tage beschäftigt hat. Er fühlt sich nicht gerecht behandelt, Ängste stehen im Raum. Um die eigene Anerkennung ist es nicht gut bestellt. Ärger ist nicht zu leugnen. Die Gefahr, neidisch auf andere Königreiche zu sein, ist vorhanden. Ebenso sehnt David sich nach einer guten Nacht und dem Segen Gottes.

Themen, die mir vertraut sind. Manchmal beschäftigt mich etwas. Ich möchte es mit jemanden teilen, doch nebenbei ist derjenige mit seinem Smartphone beschäftigt und ich merke, er hört mir gar nicht richtig zu.

Wenn ich an die Nachrichtensendungen am Abend denke, ist in mir ein Schrei: „Das ist ungerecht!“  Menschen greifen in der Corona Krise Gelder ab, die vom Staat zur Verfügung gestellt werden, die nicht für sie gedacht sind.

Ängste, wie diese machen sich breit: Wird die älter werdende Tante auf Dauer alleine in Ihrem Haus zurechtkommen? Ärger macht sich Luft, dass sich einer vor einer unangenehmen Aufgabe gedrückt hat. Die Frage schließt sich an: „Wieso können sich einige Nachbarn selbstverständlich über Regeln, die für alle gelten, hinwegsetzen?“

Mit diesen Gedanken und Gefühlen möchte ich nicht ins Bett steigen und einschlafen. In mir verspüre ich eine Sehnsucht, statt einer Angstmelodie eine Friedensmusik im Herz zu haben. Mit versöhnlichen Tönen im Herzen möchte ich mich auf die Seite rollen und ruhig einschlafen, ohne von Albträumen geweckt zu werden.

Ein gutes Schlafmittel – ein Abendlied oder ein Abendgebet

David weiß: All diese Gedanken, die in uns sind, nicht mit in den Schlaf zu nehmen oder im Herzen festzuhalten, ist großartig. Großartiger ist es, sie vor Gott, dem Gott seiner Gerechtigkeit, auszusprechen. Gott ist jederzeit ansprechbar, obwohl sich abends viele um ihn drängeln. Er wird jedem Drängler, auch den Vordränglern, gerecht. Kein Problem für Gott. Er beschränkt nicht die Bettenzahl der Beter, auch nicht die Anliegen. Ob das Gebet aus neun oder drei oder 120 Liedstrophen besteht, spielt keine Rolle. Gott hört konzentriert zu.

Gott inspiriert das Abendlied

Gott ist besser über die Situationen, mitschwingende Empfindungen aller Beteiligten orientiert, als ich. Wer tröstet in Angst? Gott. Gott ist der beste Tagescoach, davon ist auch David überzeugt! Gott bereitet rechtzeitig auf Hindernisse vor. Gott zeigt am Ende des Tages, wo und wie er seine Fußspuren hinterlassen hat. Gott erinnert mich, wenn ich den Tag Revue passieren lasse, an Grenzpfeiler, die für alle gelten: Ärger gibt es – doch überschreite nicht die Grenze, bei der es kein Zurück mehr gibt, ruft er mir ins Gedächtnis. Ich frage mich, wo habe ich einen anderen abgekanzelt und mich besser vor Gott dargestellt, als ich bin?

David fasst diese Gedanken Gottes so in Worte: „Zürnet ihr, so sündigt nicht.“ (V.5) Gebt Gott, was ihm zusteht. Damals war es ein festgelegtes Opfer. Aber auch ein Herz, das erkennt, wie Gott etwas beurteilt, was sich im Herzen ansammelt. Ein Herz ist gefragt, das sich Gottes Sicht zu eigen macht.

Wenn Gott sein Gesicht zeigt…

Die Sehnsucht: „Wer wird uns Gutes sehen lassen“  am nächsten Tag, erfüllt Gott, indem er sich uns freundlich zuwendet und uns segnet. „Herr, lass leuchten das Angesicht deines Antlitzes.“ wünscht sich David von Gott. Was für ein Geschenk, wenn sich Gottes Gesicht nicht verfinstert, wenn er mich sieht, sondern freundlich, aufmunternd lacht. „Herr“, sagt David, „du hast dich Mose gezeigt, warst für das Volk Israel da und bist auch für mich da!“

Egal, wie reich andere sind, welche Vorteile sie genießen, das Gebet rückt alles zurecht: Wenn Gott mein Herz erfreut, ist alles im grünen Bereich.

Mit jeder Liedstrophe, mit jeder Bitte, macht sich der Friede Gottes im Herzen breit. David schläft ruhig und in Frieden. Gott wacht. Er passt auf. David muss nicht X Alarmanlagen einschalten. Gott sorgt für ihn. Entspannt schläft er ein. Gott ist da, auch wenn ich schlafe. So wie er gestern da war und vorgestern.

Unzählige Übermorgen später schreibt der Apostel Paulus uns Christen ins Stammbuch (Philipper 4,7): „Der Friede Gottes, der alles Begreifen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken behüten in Christus Jesus.“ Gott ist in Jesus Christus, seinem Sohn, für uns heute da.

Jesus lädt mich jeden Abend neu ein: „Sage mir doch ungeordnet, wie es in deinem Herzen aussieht, was dich am Ende des Tages bewegt. Begreife Gott als Vater, wenn du betest und finde Frieden. So wie es in einem Abendlied aus dem 20. Jahrhundert heißt:

Nach des Tages Last suchen wir Ruhe in dir. Du, Herr Jesus hast, den wahren Frieden bei dir. Du warst mit uns diesen Tag, hast uns gesegnet ohne Ende. Alle Arbeit, Freud und Klag legen wir jetzt in deine Hände. (Jesus-Bruderschaft Gnadenthal)

 Elke Drossmann

Elke Drossmann

  |  Redakteurin

Elke Drossmann leiht gerne Gott, dem Vater, ihr Ohr und liebt es, Gottes Spuren im Alltag zu entdecken. Ihr Herz schlägt dafür, Menschen ins Gespräch mit Jesus Christus zu bringen. Diese Leidenschaft schlägt sich in der Reihe Wort zum Tag, Bibel heute, bei Angedacht und in Beiträgen für den Feierabend auf ERF Plus nieder. Studiert hat sie evangelische Theologie und war viele Jahre als Pfarrerin und Seelsorgerin tätig.

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