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© kallejipp / photocase.de

27.05.2008 / Thema Burnout / Lesezeit: ~ 5 min

Autor/-in: Christen in der Wirtschaft

Burnout: Von der Gefahr auszubrennen

Wer im Begriff ist, auszubrennen, bekommt viele gute und gut gemeinte Ratschläge. Doch das Problem sitzt meist tiefer.

Ein Interview mit Frank Berndt, Trainer und Dozent zum Thema "Burnout-Prävention", über Symptome, äußere Warnsignale und die Frage, wie man den eigentlichen Ursachen eines Burnout auf die Spur kommen kann.
 

Faktor C: Das Burnout-Syndrom, früher meist bei Menschen in helfenden Berufen feststellbar, wird immer mehr auch zur Manager-Krankheit. Woran liegt das?

Frank Berndt: Die Antwort liegt in den Ursachen für das Burnout-Syndrom. Die Gefahr, dass ein Mensch anfängt, auszubrennen, ist vor allem dann gegeben, wenn dessen Persönlichkeitsstruktur mit den äußeren Umständen kollidiert, wenn die unterbewussten Leitsätze, inneren Ziele und Werte auf Faktoren treffen, die es enorm schwer machen, das zu verwirklichen, was man im tiefsten Innern will. Dies gilt für den Sozialarbeiter, Lehrer oder Pfarrer ebenso wie für den Geschäftsführer eines Unternehmens. Stellen Sie sich ein Flugzeug vor, das ein bestimmtes Ziel erreichen will oder muss.

Es ist vollgetankt, startklar und die Piloten sind willens, die angestrebte Destination zu erreichen. Es hebt ab. Anfangs läuft alles bestens. Unterwegs ändern sich allerdings die Wetterbedingungen. Es kommt zu heftigem Gegenwind. Um dagegenhalten zu können und das beabsichtigte Ziel dennoch zu erreichen, muss die Turbinenleistung erhöht werden. Das kostet mehr Energie als geplant. Da der Sturm aber weiter zunimmt, muss der Schub nochmals erhöht werden. Die Triebwerke arbeiten nun an ihrer Belastungsgrenze.

Dennoch ist aufgrund der äußeren Umstände ein Fortkommen kaum möglich. Eine Frage der Zeit, bis der Tank leer ist und es zu einem «Burnout» im eigentlichen Sinn kommt, nämlich dem Ausfall des Triebwerks aufgrund von Treibstoffmangel. Bei Flugzeugen mag dieses Szenario eher unwahrscheinlich sein, bei Menschen leider nicht! Viele Führungskräfte haben den Willen zum Erfolg.

Sie sind motiviert, wollen ein bestimmtes Ziel erreichen. Nicht selten definieren sie sich über ihre Leistung, machen ihren Selbstwert am Erfolg ihres Unternehmens oder ihrer Abteilung fest. Was passiert, wenn sie plötzlich mit organisationsinternen oder -externen Umständen zu kämpfen haben, die diesem Vorhaben diametral entgegenstehen?


Faktor C: Welche Rolle spielt der immer weiter zunehmende Wettbewerbs- und Erfolgsdruck?

Frank Berndt: Eine entscheidende Rolle! Nur ein erfolgreiches Unternehmen überlebt. Doch das war schon vor 100 Jahren so. Seit einigen Jahrzehnten wird allerdings die Messlatte dessen, was als «Erfolg» zu werten ist, ständig weiter nach oben verschoben. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Erfolge sich immer schneller verflüchtigen. Es bleibt heute keine Zeit mehr, sich auf ihnen «auszuruhen», sie zu genießen oder sie zu feiern. Dabei läge gerade darin die Chance zur Regeneration.


Faktor C: Erschöpft durch die Belastungen in Beruf und Familie ist fast jeder einmal. Aber ab wann spricht man von einem „echten“ Burnout?

Frank Berndt: Ganz so einfach lässt sich das nicht beantworten. Ein Burnout entwickelt sich schleichend – oft über Monate, manchmal sogar Jahre hinweg. Die ersten Symptome werden meist nicht vom Betroffenen selbst, sondern von engen Familienmitgliedern oder Kollegen wahrgenommen. Mit der Zeit nehmen die Symptome dann zu – auch an Intensität.

Die Leistungsfähigkeit sinkt immer weiter, ebenso die emotionale Belastbarkeit, die Betroffenen ziehen sich zunehmend zurück, versumpfen vor dem Fernseher, trinken Alkohol oder suchen andere Wege, ihr Denken abzustellen, Schlafstörungen häufen sich, Verspannungen, jeglicher Kontakt mit Menschen wird zur Belastung. Allmählich nähern die Betroffenen sich dem Punkt, an dem nichts mehr geht. Nicht wenige fangen erst dann an, einzusehen, dass etwas nicht stimmt und dass sie möglicherweise Hilfe brauchen.

Um also auf Ihre Frage zurückzukommen: Ich würde schon in einem früheren Stadium von einem «echten» Burnout sprechen. Die Warnglocken sollten spätestens aber anfangen zu läuten, wenn der Erholungseffekt nach einem 14-tägigen Urlaub bereits am zweiten Tag am Arbeitsplatz wieder verpufft ist.
 

Foto: privat
Frank Berndt ist Trainer für Führungskräfte und Dozent an verschiedenen Akademien (Wirtschaft, Schulwesen, NPO). Er begleitet Führungskräfte und Mitarbeiter im Bereich Burnoutprävention und -bewältigung und ist Mitglied bei Christen in der Wirtschaft e.V..

[email protected]
www.burnout-fachberatung.de

Faktor C: Erhöht mehr Stress auf der Arbeit automatisch das Burnout-Risiko?

Frank Berndt: Wenn man dem glaubt, was man landläufig hört und liest, dann ja. Und in der Tat gibt es einen gewissen Zusammenhang zwischen Stress und Burnout. Aber genau genommen erhöht Stress das Burnout-Risiko ebenso wenig wie Husten das Risiko für eine Bronchitis.

Stress ist nicht die eigentliche Ursache, sondern eine Art Vorläufer des Burnout-Syndroms. Bei Stress und Burnout greifen dieselben Mechanismen. Und diese setzen mich zunächst unter Stress, später sind sie dann verantwortlich dafür, dass ich ausbrenne.

Faktor C: Die meisten Menschen wissen, was ihnen hilft, um bei Kräften zu bleiben oder wieder zu Kräften zu kommen. Warum gelingt dies aber so selten?

Frank Berndt: Das ist eine spannende Frage. Wer im Begriff ist, auszubrennen, bekommt viele gute und gut gemeinte Ratschläge. Da heißt es zum Beispiel: «Lernen Sie, nein zu sagen!», «Setzen Sie Prioritäten!» oder «Gönnen Sie sich ausreichend Schlaf und Erholung!». Schön und gut. Aber warum fällt mir das so schwer? Vieles hat mit unseren unterbewussten Motiven und inneren Leitsätzen zu tun. Diese haben eine unglaubliche Macht über uns und unser Verhalten. Und solange ich sie nicht kenne, bin ich ihnen mehr oder weniger hilflos ausgeliefert.

Nehmen wir das Beispiel mit dem «Nein»-Sagen. Eigentlich bin ich voll ausgelastet und sollte «nein» sagen. Trotzdem sage ich «ja». Warum? Um hier meinem inneren Motiv auf die Spur zu kommen, hilft es, wenn ich andersherum frage: «Was würde denn passieren, wenn ich ‹nein› sage?» Vermutlich tritt dann etwas ein, vor dem ich Angst habe oder das ich vermeiden möchte. So könnte beispielsweise meine Kollegin von mir enttäuscht sein und unsere gute Beziehung Schaden nehmen.

Es könnte auch sein, dass ein bestimmtes Ziel nicht erreicht wird, ich mir damit das Wohlwollen des Chefs verspiele oder mir damit eine Gelegenheit verbaue. Fragen wir also weiter: Und was wäre dann? – Und dann? Je tiefer ich auf diese Art und Weise bohre – am besten im Dialog mit einem kompetenten Gesprächspartner – umso mehr komme ich meinen verborgenen Motiven, Zielen und Leitsätzen auf die Spur. Diese wirken wie Antreiber. Sie lassen mich «ja» sagen, obwohl ich weiß, dass ich eigentlich «nein» sagen sollte. Sie lassen mich Arbeit mit nach Hause nehmen, obwohl eigentlich Erholung dran wäre.
 

Faktor C: Haben Sie einen hilfreichen Tipp aus der Bibel parat?

Frank Berndt: Da gibt es einige. Um an den eben erwähnten unterbewussten Zielen und Leitsätzen anzuknüpfen, nenne ich einen Vers aus Psalm 139: «Erforsche mich Gott, erkenne mein Herz» – und lass mich in Bezug auf meine verborgenen Motive und inneren Antreiber nicht im Dunkeln tappen. Letzteres steht so nicht in der Bibel.


Faktor C: Coach oder Arzt – wer ist der richtige Ansprechpartner?

Frank Berndt: Beide! Einen Coach würde ich in Anspruch nehmen, wenn ich merke, dass etwas schief läuft, ich mich aber noch nicht ganz im «roten Bereich» befinde. Auch nach einem Burnout kann ein Coach hilfreich sein, um neue, gesunde Verhaltensmuster einzuüben. Befinde ich mich aber bereits in einem kritischen Zustand, brauche ich auf jeden Fall den Arzt oder Therapeuten.


Faktor C: Vielen Dank für das Gespräch.

 

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Kommentare (2)

Deti /

Das war ein guter Spruch; seit 6-Wochen krank und keiner kann helfen oder auch nur raten. Danke!

Eva Fischer /

Danke

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