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27.02.2015 / Rezension / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Christine Keller

„Gendergaga“

Eine „Ideologie“ mit Nebenwirkung: Birgit Kelle über das Gender-Mainstreaming. Eine Rezension

Es lauert hinter jede Ecke und niemand ist vor ihm sicher: Dem Gender-Mainstreaming. Es hat Einzug in unsere Politik, Sprache und öffentlichen Toiletten gehalten – und das ohne jegliche Zustimmung der Bürger. Diese These vertritt Birgit Kelle, Journalistin und Aktivistin. Sie rechnet in ihrem Buch „Gender Gaga – wie eine absurde Ideologie unseren Alltag erobern will“ mit dem Trend des Gender-Mainstreaming ab.

Eine Theorie voller Widersprüche

Der Kelle’schen Argumentation ist ihre These vorangestellt  – Gender-Mainstreaming behandle konstruierte Probleme. Das zeige sich besonders in dem Widerspruch zwischen Theorie und Praxis: Gender Mainstreaming geht davon aus, dass man sich sein Geschlecht aussuchen kann, mit Biologie habe es nichts zu tun. Trotzdem fordern Politikerinnen in Österreich beispielsweise eine mindestens 50 Prozent Frauenquote. Es wird zwar von Gleichberechtigung gesprochen, allerdings setzen sich Gleichstellungsbeauftragte lediglich für Anliegen von Frauen ein. Gleichstellungsbeauftragter kann Mann gar nicht werden, dazu muss man Frau sein.

Auch vor der deutschen Sprache macht das Gender-Mainstreaming nicht Halt. Vertreter des Gender-Mainstreamings fordern zum Beispiel, dass „Mutter“ und „Vater“ aus offiziellen Dokumenten verschwinden sollen, weil es sich um diskriminierende Bezeichnungen handle. Laut diesen Begriffen stehe ein Kind in Beziehung zu einer Mutter (einem weiblichen Wesen) und einem Vater (einem männlichen Wesen). Das scheint nicht mehr zeitgemäß zu sein, deswegen müssen neue Begriffe her. Österreich hat bereits „Elter 1“ und „Elter 2“ ausgewählt. Andere Länder bieten zusätzlich noch „Elter 3“ und „Elter 4“ an, falls noch andere Parteien an der Zeugung des Kindes beteiligt waren.

Nicht nur die Sprache, auch öffentliche Toiletten stehen auf der Diskriminierungs-Liste ganz oben. Sie fordern Menschen dazu auf, sich in die Kategorien „männlich“ und „weiblich“ einzusortieren –  Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau fühlen oder biologisch zu beiden Geschlechtern zählen, werden nicht berücksichtigt. Damit es auch bei Toiletten keine Verwirrung gibt, soll in vielen Städten künftig nur eine Toilette vorhanden sein. Berlin macht es mit seiner Unisex-Toilette vor. All die Maßnahmen, die Kelle auflistet – unter anderem die Änderungen von offiziellen Dokumenten und die Einführung von Unisex-Toiletten – zahlt der Steuerzahler.

Sprengstoff auf dünnem Eis

Die Autorin versteht es, ihre Leser mit der politischen Debatte zu unterhalten. Durch ihren ironischen Ton und kreative Vergleiche verleiht sie dem mittlerweile überreiztem Thema neuen Sprengstoff: „Sprengen Sie die biologischen Fesseln und öffnen Sie sich der Auswahl von drei, 20, 60 oder gar 4000 verschiedenen Geschlechtsvarianten, die angeblich heute schon zur Verfügung stehen. Ist das nicht herrlich, diese Freiheit, diese Auswahl? So viel Auswahl haben Sie nicht einmal an der Wursttheke im Supermarkt Ihres Vertrauens.“ (S.10) Dieses Bild greift Kelle bewusst oder unbewusst wieder auf, wenn sie das Phänomen Conchita Wurst unter die Lupe nimmt.  

Kelles Ironie ist so präzise und überspitzt gesetzt, dass man als Leser schnell sein „ja“ und „amen“ dazu geben kann. Beim näheren Betrachten fällt dann auf: Kelle bewegt sich inhaltlich auf dünnem Eis. Auf ihre selbstgestellte Frage „Ja, ist denn alles schlecht an Gender?“ gibt sie die Antwort: „Dass nicht alles, was sich Gender und sexuelle Vielfalt nennt, wie Gold glänzt, sollte inzwischen klar sein.“ (S.169) Dann listet sie Aspekte auf, an denen auch Feministinnen Kritik üben. Beantwortet das die Frage? Von dem Geschlechtswischiwaschi mal abgesehen: Haben Vertreter des Gender-Mainstreaming mit allem, was sie sagen, Unrecht? Werden Frauen heute beispielsweise nicht mehr benachteiligt?

Kelles Farbpalette besteht aus schwarz und weiß

Ein altbewährter Vergleich ist hier das Gehalt von Männern und Frauen. Kelle argumentiert, der Lohnunterschied sei  ausschließlich der Berufswahl geschuldet: „In Ländern mit Armut und ohne viel rechtliche Gleichstellung von Frauen und Männern wählen Frauen ihre Berufe einfach vernünftiger und nicht so sehr nach ihren persönlichen Neigungen, während man es sich im reichen Westen als Frau leisten kann, auch 10 Semester Germanistik ohne Aussicht auf einen Arbeitsplatz zu studieren.“ (S.71)

Ob ein verlängertes Studium im Bereich der Geisteswissenschaft ein weibliches Problem ist, weiß ich nicht. Vergleicht man allerdings den durchschnittlichen Bruttoverdienst innerhalb gleicher Berufsgruppen, stellt man fest, dass Frauen bis zu 27 Prozent weniger Gehalt bekommen als ihre männlichen Kollegen (Quelle: lohnspiegel.de). Was machen wir denn mit solchen Zahlen, Frau Kelle?

Aus dem Nähkästchen

Die selbstaufgeworfene Frage der Autorin  ist für mich immer noch nicht geklärt. Gibt es denn nun auch lohnenswerte Ziele, die insbesondere Feministinnen verfolgen? Selbst der größte Gender-Kritiker müsste zugeben: Ja, die gibt es. EMMA-Chefredakteurin Alice Schwarzer, deren Zeitung von Kelle immer wieder genannt wird, setzt sich zum Beispiel mit großem Eifer für die Abschaffung der legalen Prostitution ein. Nicht alles, was sich Gender nennt, glänzt – aber auch nicht alles ist rabenschwarz.

Kelles Argumentation ist an einigen Stellen nicht nur einseitig, sondern auch persönlich und verallgemeinernd. Namentlich beleuchtet sie einzelne Vertreter des Gender-Mainstreamings und stellt „unappetitliche Zusammenhänge zwischen der Szene der Befürworter pädophiler Sexualität und den heutigen Sexualpädagogen der Vielfalt“  (S.92-93) fest. Auch die Diskussion mit einer Gender-Mainstreaming-Anhängerin, die ihr vorwirft, sich am „politisch rechten Rand der Republik“ zu bewegen (S.137), muss wohl als allgemeines Beispiel für die Unfähigkeit solcher Leute zur Diskussion herhalten.

Das eigentliche Ziel des Buches war, eine Ideologie genauer unter die Lupe zu nehmen und aufzuzeigen, wo sie unseren Alltag erobern will. Ich hätte mir mehr sachliche Argumente und weniger Geschichten aus dem Nähkästchen gewünscht. Gerade weil das Buch ohnehin mit spitzer Feder verfasst ist, vermute ich, dass es die Diskussion unnötig weiter anheizt.


Birgit Kelle: GenderGaga – wie eine absurde Ideologie unseren Alltag erobern will. Adeo Verlag 2015, 188 Seiten, 17,99 Euro, ISBN: 3863340450

 

 Christine Keller

Christine Keller

  |  Redakteurin

Hat in der Redaktion von ERF Jess gearbeitet. Ist ansonsten als freie Journalistin auch online und hinter der Kamera unterwegs. Sie hat Hummeln im Hintern, was aber nicht weh tut. Sie liebt es, To-Do-Listen zu schreiben und abzuhaken. Wenn‘s doch mal entspannt sein soll, nimmt sie gern ein gutes Buch zur Hand.

Ihr Kommentar

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Kommentare (4)

Brigitte /

Gott hat doch den Menschen/die Menschen geschaffen, er schuf sie als Mann und als Frau, so steht es im 1. Buch Moses und eine Frau ist nun mal eine Frau, und ein Mann ein Mann, und die Kinder mehr

Jaques L. /

Noch eine kleine Anmerkung. Gender-Gaga ist - wie Klima-Gaga und all die übrigen politisch-medialen Gagas - ein Wohlstandphänomen, das lautlos verschwindet, sobald der Wohlstand verschwindet, was unweigerlich eintreten wird, denn Gagas sind ein untrügliches Zeichen dafür.

hebel /

Nicht verschwiegen werden sollte, dass Gender Mainstreaming auch ein wenig ungesund für Frauen, Mütter und Kinder ist. Zum Beispiel das Negieren bedeutsamer und dem Mann überlegener weiblicher mehr

Jaques L. /

"Was machen wir denn mit solchen Zahlen, Frau Kelle?"
Ganz einfach: Sie hinterfragen. Ihre "Quelle" ist links, DGB-finanziert und die Ergebnisse stehen bekanntermaßen bereits vorher fest. Und zudem mehr

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