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© Kreuz Verlag

01.10.2014 / Rezension / Lesezeit: ~ 5 min

Autor/-in: Theresa Folger

Entdecke deine Großartigkeit!

Die selbstbewusste Frau ist nur einen Ratgeber weit entfernt. Oder?

Ich bin nur ungefähr 200 Seiten von einem großen Selbstvertrauen entfernt. Das meint Eva Wlodarek, die einen Ratgeber speziell für Frauen zu diesem Thema geschrieben hat. Ihr Statement: Selbst hochqualifizierte und erfolgreiche Frauen haben ein negatives Selbstbild und meinen, völlig unzulänglich zu sein. Das will Eva Wlodarek ändern und Frauen ermutigen, ihr Potenzial mit einem gesunden Selbstvertrauen auszuschöpfen. Klingt super, denke ich und fange mit dem Lesen an.

In den ersten Kapiteln erklärt die Autorin, von Beruf Psychologin und Persönlichkeits-Trainerin, mögliche Gründe für mangelndes Selbstvertrauen. Vieles davon wird Eva Wlodarek zufolge in der Kindheit angelegt: Frauen werden traditionell eher zur Zurückhaltung erzogen. Mädchen sollten nett und höflich sein, auf keinen Fall wild und laut. Einfühlsam, nicht dominant. Fleißig, aber nicht stolz auf die eigenen Leistungen. Diese von klein auf erlernte Haltung mache es schwer, als erwachsene Frau selbstbewusst aufzutreten. Ein weiterer Feind sei die innere kritische Stimme, die einer Frau ihre angebliche Unzulänglichkeit regelmäßig vor Augen führe. Die Macht dieser Stimme beruhe darauf, dass man ihre Aussagen als unumstößliche Wahrheit ansehe und sich entsprechend unsicher verhalte.

Für alle Fälle bestens gerüstet?

Was also tun? Darauf geht Eva Wlodarek in den späteren Kapiteln ein. Und da geht es richtig zur Sache. Um mein Selbstvertrauen zu stärken, muss ich lediglich mein komplettes Leben umkrempeln: Meine Sprache und mein Revierverhalten soll männlicher werden, Beziehungen soll ich auf ihre Qualität überprüfen und unliebsame Bindungen aussortieren. Kränkungen pariere ich zukünftig mit „Top-Techniken zur Gegenwehr“, für größere Auftritte übe ich „Powersprache“ und trage selbstverständlich dazu die passende Kleidung.

Ganz schön viel auf einmal, ist mein Eindruck. Das verschweigt Eva Wlodarek auch nicht: „Jahrzehntelange Prägungen kann man schlecht in kürzester Zeit ablegen.“ Und „tägliches Training ist nötig.“ Stück für Stück lädt sie die Leserinnen ein, Herausforderungen anzunehmen. Manche Dinge lassen sich gut umsetzen, zum Beispiel „eine Einladung aussprechen, auch wenn das Haus nicht präsentabel ist.“ Andere Ratschläge klingen eher wie Kochbuchrezepte. So gibt es für jede Art von Kränkung eine Top-Technik, mit der ich den Angriff abwehren kann. Ob ich mich bei so vielen Top-Techniken im Ernstfall an die richtige Technik erinnere? Am besten habe ich immer das Buch zur Hand, sodass ich bei Bedarf nachschlagen kann. Allerdings lässt mich die Autorin mit ihren Tipps manchmal auch hilflos zurück: Ich soll offen sein, aber auf keinen Fall zu offen. Ich soll keine Gegenleistung für Hilfsbereitschaft erwarten, aber andererseits die Bedingungen für eine helfende Hand aushandeln. Ja, was denn nun?

Muss ich gleich ein völlig neuer Mensch werden?

Der Weg zu einem soliden Selbstbewusstsein klingt dermaßen anstrengend, dass ich mich schon beim Lesen überfordert fühle. Eva Wlodarek versucht den Leser, pardon, die Leserin folgendermaßen zu motivieren: „Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, das Bewusstsein für Ihre Großartigkeit zu wecken. Es verlangt, dass Sie bereit sind, Ihr Denken zu verändern und alte Muster innen und außen loszulassen. Das wird sich auf Ihr Verhalten, Ihr Handeln Ihr Sprechen, ja sogar auf Ihr Äußeres auswirken.“

Meine Großartigkeit wecken klingt super. Aber muss ich dafür gleich ein völlig neuer Mensch werden? Bin ich noch ich selbst, wenn ich mit den perfekten Accessoires, der passenden Kleidung, einer neuen Sprache und einer männlichen Dominanz die Bühne des Lebens betrete? Das klingt für mich nach einem enormen Kraftakt. Außerdem lassen sich viele Tipps nicht allein umsetzen. Ich bräuchte mindestens einen professionellen Typ-und-Stil-Berater für mein Aussehen, einen Rhetoriktrainer für meine Sprache und einen Psychologen, um meine Vergangenheit aufzuarbeiten.

Im Status der Großartigkeit

Eva Wlodarek erwähnt mehrmals, dass sie aus einem christlichen Elternhaus stammt. Vielleicht liegt ihrem Buch deshalb christliches Gedankengut zugrunde. Was im christlichen Sprachgebrauch „Gott hat einen Plan für dein Leben“ heißt, nennt sie: „Mit Ihren Anlagen und Fähigkeiten gibt es eine Lebensaufgabe, für die niemand besser geeignet ist als Sie.“

Ihren Leserinnen bleibt sie allerdings die Antwort schuldig, warum man eine solche Lebensaufgabe haben sollte. Auf Gott nimmt Eva Wlodarek nämlich keinen Bezug, nennt ihre These lieber „spirituell“. Auch dass jeder Mensch „großartig“ ist, wird nicht näher begründet. Ohne eine vernünftige Begründung fällt es mir aber schwer, die folgende Aussage auf mich zu beziehen: „Glauben Sie im Grunde Ihres Herzens, dass Sie fähig, begabt und kompetent sind, obwohl Sie längst nicht alles wissen oder können? Dass Sie liebenswert sind, auch ohne dass Sie sich dafür anstrengen müssen? Dass Sie ein wertvoller Menschen sind?“ Warum sollte ich das glauben, wenn nicht aus dem Bewusstsein heraus, dass Gott so über mich denkt? Nach Ansicht von Eva Wlodarek glaube ich es hingegen dann, wenn ich das nötige Selbstbewusstsein habe. Wenn nicht, muss ich eben daran arbeiten. Das ist ganz wichtig, denn „erst im Status der Großartigkeit können Sie die Mission vollständig erfüllen, für die Sie auf dieser Erde sind.“

Das sehe ich anders. Für Gott muss ich nicht erst „im Status der Großartigkeit“ sein, bevor er mit mir etwas anfangen kann. Gott nimmt mich so an, wie ich bin. Und genau daraus erwächst meine Motivation, mich zu verändern. Weil es nicht aus dem Krampf heraus passiert, mit Biegen und Brechen ein neuer Mensch werden zu müssen. Sondern aus dem Wissen, dass ich durch Jesus bereits ein neuer Mensch geworden bin. Und er mich nun ermutigt, an meinen Schwächen zu arbeiten. Ganz freiwillig.

Gute Gedanken, anstrengende Umsetzung

Mit einem Fazit tue ich mich schwer. Mit vielem liegt Eva Wlodarek ja völlig richtig. Dass man lernen soll, nein zu sagen und anderen zu verzeihen, sind gute Ansätze. Auch beschert mir das Buch einige Aha-Erlebnisse, wo die Wurzeln mangelnden Selbstvertrauens liegen können. Sympathisch ist ebenfalls, dass die Autorin von ihren eigenen Schwierigkeiten bei diesem Thema erzählt.  Allerdings klingt die praktische Umsetzung so unglaublich mühsam, dass ich damit gar nicht erst anfangen will.

Etwas wundert mich, dass die Autorin vor zehn Jahren zu genau demselben Thema schon ein Buch geschrieben hat (Go!: Mehr Selbstsicherheit gewinnen). Hat sie so viele neue Erkenntnisse gehabt, dass sich ein weiteres Buch gelohnt hat? Vielleicht wollte sie damit ihre Großartigkeit auf diesem Gebiet unterstreichen. Aber „vielleicht“ darf ich als selbstbewusste Frau ja gar nicht mehr sagen. Dann eben nicht. 

 Theresa Folger

Theresa Folger

  |  Redakteurin

Diplomkulturwirtin und Redakteurin, beschäftigt sich vor allem mit den Themenfeldern „mentale Gesundheit“ und „Persönlichkeitsentwicklung“. Mit ihren zwei aufgeweckten Mädels entdeckt sie dabei regelmäßig neue spannende Aspekte.

Ihr Kommentar

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Kommentare (2)

N. Bruns /

@ Freda B.
Liebe Frau B.
Sie sprechen mir aus der Seele. Ich kann Ihrem Kommentar voll und ganz zustimmen. Das einzige "Problem", mit der "inneren Stimme" ist jedoch, die Stimme Gottes von den mehr

Freda B. /

Liebe Leserinnen dieser Rezension!
Liebe Frau Folger!
Es gibt eine sehr einfache Erklärung, weshalb eine Psychologin und Persönlichkeitstrainerin innerhalb von 10 Jahren ein Ratgeberbuch mit mehr

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