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19.09.2014 / Gottesbilder / Lesezeit: ~ 6 min

Autor/-in: Theresa Folger

Vater unser im Himmel...

…wie bist du eigentlich? Wie ich Gottes Vaterliebe ganz ungewöhnlich erlebt habe.

Nie werde ich eine Erfahrung vergessen, die ich auf einer Neuseelandreise gemacht habe. Eines Morgens wachte ich mit der Gewissheit auf: Heute hat Gott ein Geschenk für mich vorbereitet. Ich kann nicht sagen, wo dieser Gedanke herkam, aber ich war felsenfest von seiner Richtigkeit überzeugt. Den ganzen Tag über wartete ich gespannt darauf, was passieren würde. Ich machte eine herrliche Wanderung um den Wanaka-See, genoss die unberührte Natur und führte nette Gespräche mit anderen Reisenden. Gegen Abend war ich erfüllt von der Schönheit des Tages, aber auf das versprochene Geschenk wartete ich noch. Denn ich war mir sicher: Wenn ich so einen ungewöhnlichen Gedanken hatte, musste Gott auch ein ungewöhnliches Geschenk vorbereitet haben.

Ein Gott, der mir Geschenke macht? Ist Gott tatsächlich so? Ist er nicht vielmehr gewaltiger Schöpfer und strenger Richter? Oder das Gegenteil – ein lieber Opa-Gott, der keine große Rolle für mich spielt, weil er die meiste Zeit schläft? Schaue ich in die Bibel, lese ich, dass Gott eine ganze Menge Eigenschaften in sich vereint: Er ist Schöpfer, er ist Richter, er ist Retter. Opa ist er nicht. Aber Vater. Unser Vater. Das kennt man vielleicht aus dem Gebet „Vaterunserimhimmel...“ Im Neuen Testament wird Gott sogar 261 Mal als Vater bezeichnet.

Jeder Mensch sehnt sich nach Geborgenheit

Dass Gott unser Vater ist, macht die Sache aber nicht unbedingt besser. Denn je nachdem, wie unsere eigener Vater gewesen ist, entwickeln wir bestimmte Vorstellungen von Gottes Vaterschaft. Sind Väter liebevoll und geduldig? Oder aber übermäßig streng und sogar jähzornig? Sind sie ansprechbar oder die meiste Zeit abwesend – vielleicht nicht einmal bekannt? In unserer Gesellschaft verschwinden die Väter immer mehr aus der Familie, die Zahl der alleinerziehenden Mütter nimmt zu. Aber auch Väter, die beruflich stark eingespannt sind, können sich oft wenig um ihre Kinder kümmern.

Gott ist da anders. In der Bibel kann man lesen, dass Gott uns Menschen ein Leben lang begleiten möchte. Zu den Israeliten hat er gesagt: „Von Anfang an habe ich euch getragen, seit eurer Geburt sorge ich für euch. Ich bleibe derselbe; ich werde euch tragen bis ins hohe Alter, bis ihr grau werdet. Ich, der Herr, habe es bisher getan, und ich werde euch auch in Zukunft tragen und retten.“ (Jesaja 46, 3-4, HFA) Jeder Mensch sehnt sich nach Zuwendung und Geborgenheit, was besonders im Kindesalter zu erkennen ist. Aber auch als Erwachsener ist diese Sehnsucht nicht verschwunden. Gott möchte der sein, der diese innere Sehnsucht stillt. Im Buch des Propheten Jesaja sagt Gott: „Ich nehme dich an deiner rechten Hand und sage: Hab keine Angst! Ich helfe dir.“ (Jesaja 41,13, HFA)

Kann ich auf Gott zählen?

Es dämmerte langsam. Die jungen Leute, die ich unterwegs getroffen hatte, machten sich auf den Weg in die nächste Jugendherberge. Sie fragten mich: „Willst du uns nicht begleiten?“, aber ich lehnte ab. Denn ich hatte mir schon länger vorgenommen,  an diesem Abend nach Queenstown zu fahren, das eine Stunde entfernt lag. Da es zu spät für den Überlandbus war, wollte ich es mit Trampen versuchen. So stellte ich mich an die Abzweigung nach Queenstown und reckte den Daumen in die Luft. Eine geschlagene Stunde lang passiert nichts. Keins der wenigen Autos, die vorbeikamen, hielt an. Mittlerweile war es völlig dunkel geworden und ich wurde immer unsicherer. Vielleicht hatte ich Gott  falsch verstanden und er wollte, dass ich in Wanaka blieb. Was sollte ich tun? Laut sagte ich in die Dunkelheit: „Gott, wenn das richtig ist, was ich hier gerade mache, dann soll jetzt ein Auto um die Ecke kommen und mich mitnehmen.“

So manchen bereitet der Gedanke, dass Gott ein Vater ist, Unbehagen. Das kann viele Gründe haben. Wer zu oft von seinem Vater enttäuscht wurde, hat Angst, dass Gott dasselbe tun wird. Man möchte nicht auf jemanden angewiesen sein, der unberechenbar ist. Vielleicht will man sich deshalb auch nicht von Gott beschenken lassen - aus Angst, dass er es einem im schönsten Moment wieder wegnimmt. Oder dass auf schöne Erfahrungen eine schreckliche folgen wird.

Wenn man die Bibel liest, handelt Gott ganz anders. Er ist kein unberechenbarer Sadist, der uns hämisch beobachtet und aufs Zuckerbrot die Peitsche folgen lässt. Als Vater möchte er seinen Kindern bedingungslos Gutes tun. Nicht als Belohnung für besonders gute Leistungen, sondern, weil er sie liebt. In Matthäus 7,9-11 steht: „Ihr Eltern - wenn euch eure Kinder um ein Stück Brot bitten, gebt ihr ihnen dann stattdessen einen Stein? Oder wenn sie euch um einen Fisch bitten, gebt ihr ihnen eine Schlange? Natürlich nicht! Wenn ihr, die ihr Sünder seid, wisst, wie man seinen Kindern Gutes tut, wie viel mehr wird euer Vater im Himmel denen, die ihn darum bitten, Gutes tun.“

"Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich habe?"

Ich hatte mein Gebet kaum beendet, da bog ein klappriger VW-Bus um die Ecke und hielt vor mir an. Ein dicklicher Mitfünfziger in speckigem T-Shirt kurbelte die Scheibe herunter und fragte: „Wanna come with me?“ (Willst du mit mir mitfahren?) In anderen Momenten hätte ich gezögert, weil das Auto so vollgerümpelt war und der Typ ein wenig unordentlich aussah. Aber schließlich hatte ich gerade um eine Mitfahrgelegenheit gebetet. Und das war die Antwort. Also stieg ich ein. Auf der einstündigen Fahrt erzählte mir der Fahrer – der übrigens sehr nett war – dass  er auf dem Weg zu seinem Sohn sei. Er fragte, was ich in Queenstown vorhätte. Ich antwortete: „Ich möchte mir die Drachenflieger anschauen. Ich habe immer davon geträumt, selbst einmal zu fliegen. Leider kann ich mir das nicht leisten.“ „Aber das ist gar kein Problem,“ erwiderte er. „Mein Sohn ist professioneller Drachenflieger und wird morgen wieder mit einer Touristengruppe unterwegs sein. Bestimmt kann er dich kostenlos mit auf einen Flug nehmen.“ Ich traute meinen Ohren kaum. Das war zu schön um wahr zu sein! Aber damit nicht genug: Die Familie lud mich sogar zum Abendessen ein und ich durfte bei ihnen im Gästezimmer übernachten. Am nächsten Tag ging es hinauf in die Berge, wo ich mich – mit dem Drachen über mir – von einem Felsen stürzte und flog, flog, flog…

Dieses Erlebnis hat mich tief bewegt. Noch nie habe ich Gottes Wertschätzung für mich so stark gespürt wie an diesem Tag. Ich hatte Gott nicht einmal um diesen Flug gebeten, sondern meinen Traum vom Fliegen angesichts der hohen Kosten gleich wieder beerdigt. Deshalb war ich umso überraschter, dass Gott meinen unausgesprochenen Wunsch erfüllt hat – ohne, dass er deshalb an anderer Stelle eine Gegenleistung von mir verlangt hätte. So, wie ein Vater seinen Kindern mit einem unerwarteten Geschenk eine Freude macht. Ich hatte den Eindruck, dass Gott sich richtig mit mir gefreut hat, als ich durch die Lüfte geschwebt bin. Ich glaube, er wollte mir damit mal sagen: Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich habe?

Gott respektiert uns

Gottes Vaterliebe zeigt sich aber auch auf dem Boden der Tatsachen – dann, wenn wir versagt haben. Das wird in dem Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lukas 15) besonders deutlich: Der Sohn hat sich vom Vater abgewandt und zieht allein in die Welt hinaus, um sein Erbe zu verprassen. Als er nicht mehr weiter weiß, kehrt er zutiefst beschämt nach Hause zurück. Sein Vater verurteilt ihn nicht, sondern nimmt ihn mit großer Freude wieder auf. So ist das auch mit uns: Egal, was wir getan haben, Gott verurteilt uns nicht (Römer 8,1). Er respektiert uns als erwachsene, selbstverantwortliche Menschen. Zugleich streckt er uns als seinen Kindern die väterliche Hand entgegen.

Nicht immer erfüllt uns Gott den Wunsch, einen Drachenflug in Neuseeland zu machen. Aber vielleicht hat Gott mich auf so besondere Weise beschenkt, damit ich seine Großzügigkeit kennenlerne. Noch heute wird mir warm ums Herz, wenn ich daran denke. Doch auch im Alltag kann ich Gottes Liebe zu mir in vielen kleinen Dingen erkennen – wenn ich darauf achte. Sei es ein erhörtes Stoßgebet, unerwartetes Gelingen einer schwierigen Aufgabe oder ein freundliches Wort des Kollegen zur richtigen Zeit. Gerade freue ich mich an der Sonne, die in mein Zimmer scheint und mich fröhlich macht. Da bekomme ich richtig Lust, nach draußen zu gehen. Und denke mir: Super Wetter für einen Drachenflug. Na, Gott, wie wär’s?

 Theresa Folger

Theresa Folger

  |  Redakteurin

Diplomkulturwirtin und Redakteurin, beschäftigt sich vor allem mit den Themenfeldern „mentale Gesundheit“ und „Persönlichkeitsentwicklung“. Mit ihren zwei aufgeweckten Mädels entdeckt sie dabei regelmäßig neue spannende Aspekte.

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Kommentare (1)

Ursula B. /

Danke für ihre Mühe!

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