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© Tony Schreiber / ERF

18.04.2014 / Kreuzwegzyklus zum Karfreitag / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Miriam Schaumburg

Auf dem Weg zum Kreuz

Ein moderner Kreuzweg regt zum Nachdenken an

Die Tradition der Kreuzwege stammt aus dem 14. Jahrhundert und begann in Jerusalem. Christen erinnerten sich an die Leidensgeschichte Jesu, indem sie den Weg vom Ölberg nach Golgatha nachgingen. Zunächst bestand ein Kreuzweg aus sieben Stationen, später wurde er auf 14 Stationen erweitert. Heute ist die Anzahl und die Umsetzung der Kreuzweg-Stationen recht variabel und abhängig von den jeweiligen Künstlern

Die ursprüngliche Form der „Stationen“ sind nicht Bilder, sondern Erzählsequenzen: Man schritt einen Weg ab und erinnerte an bestimmten Haltepunkten an die verschiedenen Abschnitte der Leidensgeschichte. In der Kreuzfahrerzeit brachte der Strom westlicher Pilger die Tradition des Kreuzwegs ins Abendland, wo sich diese Meditationsform auf vielfältige Art ausbreitete.

Der deutsche Künstler Tony Schreiber hat mit Rohrfeder und Tusche einen Kreuzwegzyklus gemalt. Sein Ziel war es, die Stationen der Passion Christi in Einklang mit der heutigen Zeit zu bringen. Deshalb taucht in den einzelnen Bildern das Zeitgeschehen aus der Entstehungszeit seines „Kreuzgangzyklus“ von 1991 auf. Damals gehörten der Protest der Atomgegner in Gorleben und die politischen Unruhen in Südamerika zum Tagesgeschehen. Heute würde Tony Schreiber nach eigenen Angaben eher die Ereignisse in der Ukraine oder in Syrien in die Bilder einarbeiten.

Station 1: Die Salbung

 

Eine Frau salbt Jesus mit unglaublich kostbarer Narde. Diese Pflanze wuchs im Himalaya auf einer Höhe von 3500 bis 5000 Metern. Sie wurde mit Öl oder Wasser vermischt und als teures Parfüm verkauft. Es wird nicht gesagt, woher die Frau diese Kostbarkeit hat. (Matthäus 26, 6-13) Vermutlich handelt es sich aber um ihre „Aussteuer“.

Der geldliche Gegenwert des Fläschchens hat 300 Denare betragen. Das war ungefähr das Jahresgehalt eines Arbeiters. Hier wird deutlich, wie verschwenderisch Jesus durch die Salbung beschenkt wurde. Was ist uns Jesus heute wert?

Station 2: Die Angst

 

Wenige Szenen in der Bibel zeigen die menschliche Natur Jesu eindrücklicher als das Gebet am Ölberg. Jesus hatte vor dem Tod genauso Angst wie jeder andere Mensch. Er ging mit den Jüngern Petrus, Jakobus und Johannes nach dem letzten Abendmahl hinaus zum Garten Gethsemane. Jesus wusste, dass ihn ein schmerzhafter Tod erwartete und hatte Angst: „Meine Seele ist zu Tode betrübt, bleibt hier und wacht mit mir“, bat er seine Jünger (Matthäus 26,38).

Die Evangelisten Markus und Matthäus erzählen, dass Jesus dreimal zu seinen Jüngern zurückkehrt und sie schlafend findet. Im Angesicht des Todes und in seiner größten Not gelingt es seinen Jüngern nicht ihm beizustehen. Stehen wir anderen in Not bei oder erkennen wir gar nicht, was sie bewegt?

Station 3: Das Gericht

 

Jesus wird in einem fadenscheinigen Prozess zum Tode am Kreuz verurteilt. Der Künstler Tony Schreiber stellt Jesus und sein Gericht sehr drastisch in das Zeitgeschehen der Gegenwart. Die Figur Jesus wird von einem Flüchtling verkörpert, der aus Deutschland abgeschoben werden soll. Dahinter sind die ehemaligen Diktatoren von Paraguay, Chile und Südafrika zu sehen.

Noch heute müssen trotz Jesus Menschen immer noch Folter und Hinrichtung erleben. Der Künstler hat einen Weg gefunden Missstände unserer Gesellschaft ohne Gewalt anzuprangern und nicht gleichgültig darüber hinwegzusehen. Wie empfinden wir die Nachrichten über die Toten in Syrien und die Aufstände in der Ukraine, berührt uns das?

Station 4: Die Dornenkrönung

 

Jesus wird mit Dornen gekrönt und als König der Juden verspottet. Das Volk schreit: „Lass ihn kreuzigen!“ (Matthäus 27,23) Pilatus will an Jesu Tod nicht schuld sein und wäscht seine Hände als Zeichen seiner Unschuld. Wann sind wir versucht, uns wie Pilatus aus Dingen herauszuhalten? Wo sind wir gefragt, uns einzumischen und selbständig zu handeln?

Station 5: Die weinenden Frauen

 

Auf dem Weg zum Kreuzigungshügel begegnet Jesus vielen Menschen, die sein Leid beklagen. In der Bibel heißt es: „Es folgte ihm aber eine große Volksmenge und Frauen, die klagten und beweinten ihn. Jesus aber wandte sich um zu ihnen und sprach: Ihr Töchter von Jerusalem, weint nicht über mich, sondern weint über euch selbst und über eure Kinder.“ (Lukas 23, 27-28)

Dieser Satz trifft ins Innerste, wenn wir den Kreuzweg mitgehen, mitdenken und mitfühlen. Wir sollten nicht traurig sein, weil Jesus für uns den Tod auf sich genommen hat, um unsere Schuld zu tilgen. Doch in seinem Opfer erkennen wir unsere Schuld und unsere Fehler. Wenn wir mit Christus mitleiden, dann, indem wir sein Leid für uns und seine Trauer um uns nachvollziehen.

Station 6: Die Kreuzigung

 

Jesus wird ans Kreuz genagelt. Für uns, für unsere Schuld muss er bezahlen, damit für uns wieder ein Zugang zu Gott möglich ist. Der Künstler Tony Schreiber wirft die Frage auf, welche Bedeutung diese Tat für unsere Gesellschaft heute noch hat. Viele Menschen wissen heute nicht mehr, weshalb Christen Ostern feiern. Für sie ist Ostern vor allem Freizeit, gutes Essen und vielleicht noch Gemeinschaft mit der Familie. Was bedeutet uns Ostern? Was bedeutet die Kreuzigung Jesu für mich ganz konkret?

Station 7: Unter dem Kreuz

 

Jesus hängt am Kreuz, wahrscheinlich viele Stunden in der sengenden Hitze. Durst, Schmerzen und die Trennung von Gott vereinten sich zu einer unermesslichen Qual. „Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht! und neigte das Haupt und verschied.“ (Johannes 19,30) Das, was Gott vorhergesagt hatte, ist geschehen.

Das Kreuz zeigt uns nicht nur den Tod von Jesus, sondern auch Gottes unermessliche Liebe zu uns. Es macht uns aber auch deutlich, wie Gott über Sünde denkt. Dort unter dem Kreuz ist der Platz, wo wir lernen, wer Er ist. Dort bleibt alles andere zurück, was uns beschäftigt. Am Fuß des Kreuzes richten wir den Blick weg von uns zu Jesus.


Mehr zu der Arbeit von Tony Schreiber in der nächsten "Gott sei Dank"-Sendung am 28. April um 20.15.

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Kommentare (1)

Melchisedek /

Sehr bewegend und eindrucksvoll

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