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15.02.2011 / Die geistlich - spirituelle Dimension einer Ehe / Lesezeit: ~ 8 min

Autor/-in: Hanna Willhelm

Stärker als alle Friedensbeschlüsse der Welt

Die Ehe gilt als Auslaufmodell. Dabei hat Gott ihr eine Sprengkraft gegeben, die diese lieblose Welt aus ihren Angeln heben könnte.

Können Sie mit Symbolen viel anfangen? Mir sagen sie oft nur wenig. Wenn die Besucher in einem Gottesdienst zum Beispiel Steine unter einem Kreuz ablegen, um damit zeichenhaft eine Last abzugeben, dringt das meistens nicht wirklich zu mir durch. Auch mit biblischen Symbolen wie dem Regenbogen, der Taufe oder dem Abendmahl tue ich mich schwer.

Es gibt jedoch ein Symbol, das mich fasziniert: Die Ehe. Sie ist für mich nicht nur eine Institution, die einen geschützten Rahmen für das Zusammenleben zwischen Mann und Frau bietet. Sie ist kein Relikt vergangener Zeiten, das die Nachkommenschaft sicherstellen soll. Stattdessen glaube ich, dass sie ein Mikrokosmos ist, in dem sich sämtliche Abgründe und schöne Seiten des menschlichen Zusammenlebens widerspiegeln. Ein Mikrokosmus, den Gott geschaffen hat.

Darüber hinaus ist sie ein tiefes, geistliches Sinnbild. Das wird vor allem im Alten Testament deutlich. Immer wieder vergleicht Gott seine Beziehung zu Israel mit zwei Eheleuten: Er wirbt als Bräutigam um sein Volk, freut sich an seiner Schönheit, ist verzweifelt und wütend über seine Abtrünnigkeit. Im Neuen Testament wird Christus mit dem Bräutigam und die Gemeinde mit der Braut verglichen. Kein anderes Bild könnte die Intimität der Beziehung zwischen Gott und den Menschen besser verdeutlichen. So hat die Ehe etwas Transzendentes und ist gleichzeitig so geerdet, wie kein anderes biblisches Symbol. Dieser Artikel lädt Sie ein, einige dieser Aspekte zu entdecken und darüber ins Staunen zu geraten.

Bibelstellen zum Vertiefen: Jesaja 62,1-5, Epheser 5,21-33, Offenbarung 19,7-9

Bis dass der Tod euch scheidet

Als Gott die Ehe eingeführt hat, setzte er kein Mindesthaltbarkeitsdatum für sie fest. Nach seiner Herstellungsmethode ist sie ein ganzes Leben haltbar, auch wenn sie in der Realität manches Mal wegen ungünstiger Lagerbedingungen frühzeitig abläuft. Gott mutet es zwei Menschen zu, den Rest ihres Lebens miteinander zu verbringen. Damit verlangt er allerdings nur das, was er selbst auch tut.

Denn Gott ist ebenfalls verrückt genug, sich dauerhaft zu binden, nur legt er die Latte für das Haltbarkeitsdatum noch höher. Die Menschen, die er erschaffen hat, will er in Ewigkeit nicht mehr loswerden. Er verpflichtet sich, ihnen treu zu sein. Darüber hinaus steht er zu seiner Wahl. Er tauscht seine Geschöpfe nicht gegen neuere, liebevollere oder pflegeleichtere Modelle ein. Auf diese Art und Weise gibt er uns die Gewissheit, völlig angenommen und geliebt zu sein. Genau diese Sicherheit brauchen wir. Stellen Sie sich vor, Sie wüssten nicht, ob Gott trotz Ihrer Schuld und Fehler zu Ihnen steht. Das wäre keine Grundlage für eine Beziehung, in der Sie sich Gott ganz anvertrauen können.

Auch in der Ehe ist die versprochene Treue die Basis dafür, dass ein Partner nicht beim kleinsten Streit Angst um die Beziehung haben muss. Er weiß, dass der andere ihn deswegen nicht gleich verlässt oder nur dann bei ihm bleibt, wenn er nach seiner Pfeife tanzt. Gott mutet uns mit der lebenslangen Treue ein hartes Stück Arbeit zu, aber gleichzeitig ist sie auch die einzige Chance, ohne Masken zu leben.

Bibelstellen zum Vertiefen: Jesaja 54,1-8, Maleachi 2,13-16, Markus 10,1-12

In guten wie in schlechten Tagen

Gott lässt sich also nicht scheiden. Dabei machen es ihm selbst die besten seiner Geschöpfe nicht leicht. Ihre Beziehung zu ihm ist nicht oft von Liebe und Vertrauen gekennzeichnet, sondern von eigenen Interessen. Manchmal ist sie völlig zerrüttet. Das überrascht Gott nicht. Er jammert nicht herum oder bemitleidet sich, sondern wird aktiv. Er wirbt immer wieder um jeden einzelnen, vergibt, versucht durch Konsequenzen zur Veränderung zu bewegen, ist geduldig und geht bis zum Äußersten: Er liebt uns genug, um für uns zu sterben. Damit bringt er uns eine ungeheure Wertschätzung entgegen.

Wie sehr ähnelt das der Realität in vielen Ehen. Da haben sich Partner auseinandergelebt, sind nur noch wegen den Kindern zusammen oder verhungern innerlich, weil sie es nicht schaffen, sich Zärtlichkeit und Anerkennung zu schenken. Ehepartner, die sich in einer solchen Situation dafür entscheiden, zu vergeben, Grenzen zu setzen, wo es nötig ist, oder Hilfe in Anspruch zu nehmen, spiegeln damit Gottes Wesen wider. Sie erwarten nicht, dass die Ehe der Himmel auf Erden ist. Aber sie wissen, dass der Partner ihren ganzen Einsatz wert ist. Sie warten nicht darauf, dass der andere den ersten Schritt tut, sondern schauen auf das, was sie tun können, damit sich die Beziehung zum Positiven wendet.

Bibelstellen zum Vertiefen: Hosea 2, Hesekiel 16, Kolosser 3,12-14

Ihn zu lieben, zu achten, zu ehren

Von Eltern und guten Freunden kann man sich zurückziehen, wenn sie nerven. Der Ehepartner ist jedoch allgegenwärtig und zerrt durch seine Macken und Defizite erbarmungslos jeden Mangel an Geduld, Verständnis oder Vergebungsbereitschaft in uns ans Licht. Das ist nichts Neues. Aber vergleichen Sie es mit der Aufforderung Jesu, den Nächsten zu lieben, wie sich selbst. Wer steht uns näher als unser Ehepartner? Wenn Sie sich bis jetzt für einen liebevollen Menschen gehalten haben, liegt das vielleicht daran, dass Sie nicht verheiratet sind… In der Ehe zwingt Gott uns wie in keiner anderen Beziehung dazu, unserem Ego ins Gesicht zu sehen. Sie bringt uns dazu, die großen Scheine der Liebesbekundungen mühsam und Tag für Tag in kleine Münzen der Tat umzusetzen.

Auch hier hat Gott in Jesus selbst vorgelebt, wie das geht. Jesus hat alles, was er an Privilegien hatte, aufgegeben, um Gott zu gehorchen und für uns Menschen da zu sein. Wo ein Mensch lernt, so zu leben, nähert er sich Gottes Originalverständnis des Wortes Liebe. Er wird hineingezogen in das Geheimnis der Selbstverleugnung, die am Ende dazu führt, dass man sich selbst findet. Der Autor Mike Mason schreibt dazu: „Die Ehe … setzt zu einem heftigen und unablässigen Angriff auf die Festung des Ego an, auf den Ort in einem Menschen, der sich nach Eigenleben, Unabhängigkeit und Selbstgenügsamkeit sehnt und keine Einmischung von außen will. Nichtsdestotrotz erwartet das Paar, das diesem Sturmangriff widersteht und zusammen in Liebe reift, eine große Überraschung. Denn ganz allmählich wird es entdecken, dass die Ehe eine unvermutete Kraft besitzt, das Ego, diese eigentümliche Abgegrenztheit jeder Person, aufs Tiefste zu befriedigen, auch wenn sie sie beschneidet.“1

Bibelstellen zum Vertiefen: 1. Korinther 13, Sprüche 27,17, Markus 12,28-34

Gott in der Ehe begreifen

„Mir kommt es vor, als sagte Gott zu uns: 'Seht, wie einfach die Liebe ist, voller Freude und Freiheit! Nun nehmt dieses Geschenk zum Vorbild. Erhaltet es und hegt es, und benutzt es als Licht, das all eure anderen Beziehungen erleuchtet. Denn ich will euch die Macht der Liebe beweisen und euch lehren zu lieben, wie ich es tue, unterschiedslos, damit ihr an meinem eigenen Leben in Fülle teilhaben könnt.'“ M.Mason

Die bisher genannten Aspekte klingen sehr sachlich und vor allem nach viel Arbeit und wenig romantischen Gefühlen. Trotzdem ist die Ehe nach Gottes Vorstellung keine Vernunftsache. Ihr Ziel ist immer Gemeinschaft und Begegnung zwischen zwei Menschen und die finden nie nur rein sachlich statt. Wo eine Ehe so gelebt wird, gibt sie beiden Partnern das Gefühl von Zugehörigkeit, Erfüllung und Geborgenheit. Mann und Frau erleben, wie sie sich gegenseitig ergänzen, wie sie sich vertrauen können und zu einer Einheit werden. Die Sexualität ist dafür innerhalb der Ehe das geheimnisvollste und faszinierendste Sinnbild. Ängste, Selbstzweifel und sogar Streit werden dabei für einige Augenblicke weggeschwemmt und wir erleben einen Moment lang Harmonie und Nähe, nach denen wir uns im Alltag oft nur sehnen können.

Wie bei einer Muschel liegt hier die eigentliche Perle der Ehe, während die anderen Punkte die schützende Schale sind. Ohne sie könnte sich die Perle nicht entwickeln. Aber der eigentliche Zweck einer Ehe ist nicht das harte Äußere, sondern der Schatz im Inneren: Diese Gemeinschaft. Für sie hat Gott den Menschen geschaffen. Gemeinschaft von Gott zu Mensch und von Mensch zu Mensch ist das Ziel der ganzen Schöpfung. Deswegen ist sie eines der existentiellsten Bedürfnisse des Menschen. Die Ehe ist neben der Gottesbeziehung der Ort, an dem dieses Bedürfnis gestillt wird.2

Beide Beziehungen bleiben auf der Erde unvollkommen. Aber sie formen einen Menschen, geben ihm Kraft, dieses Leben auszuhalten und zu genießen. Vor allem aber bringen sie ihm den Sinn unserer Existenz näher. Wo ein Paar so lebt, wird es gleichzeitig zum Hoffnungsträger für andere. Dazu noch einmal Mason: „Sie [eine dauerhafte Ehe] ist Beweis genug dafür, dass es Liebe in dieser lieblosen Welt geben kann, und nicht nur, dass es sie gibt, sondern dass sie auch bestehen und wachsen kann gegen alle Widrigkeiten des Lebens. Wenn zwei Menschen lieben können, dann lebt die Liebe – mehr als in allen Träumen von einer utopischen Gesellschaft oder in allen Friedensbeschlüssen der Regierungen und Organisationen dieser Welt. Eine liebevolle Ehe ist eine solide Garantie, dass, ganz egal, was sonst noch passiert, es wenigstens etwas Liebe in der Welt gibt.“3 Und damit wird die Ehe zu einem greifbaren Symbol für Gottes Wesen und für sein Handeln. Denn von ihm sagt die Bibel: Gott ist Liebe.

Bibelstellen zum Vertiefen: 1. Mose 2,18-25, Hoheslied 8,6-7, Sprüche 5,15-23, 1. Korinther 13,12+13, 1. Johannes 4,7-13

 

1 Mike Mason, Das Geheimnis der Ehe. Die geistliche Dimension des gemeinsamen Lebens. R.Brockhaus Verlag, Wuppteral, 2001; S.16. Das Buch ist nur noch antiquarisch erhältlich.
2 Das Neue Testament wertet das Leben ohne Ehe nicht ab. Ein Christ hat unabhängig von ihr die Möglichkeit, seine Beziehung mit Gott und den Mitmenschen auf eine völlig neue und intensive Weise zu leben. Möglich wird das durch den Heiligen Geist, der in ihm wohnt. Die Ehe bleibt für die meisten Menschen aber ein tiefer Wunsch, weil sie in ihr die Gemeinschaft zu finden hoffen, nach der sie sich sehnen. Das ist auch Gottes Absicht mit ihr. Die Ehe ist aber trotz ihrer tiefen Bedeutung etwas Vorläufiges und Vergängliches. Wenn das Leben in der Ewigkeit einmal so ist, wie Gott es sich von Anfang an gedacht hat, braucht es sie nicht mehr, um Menschen in Treue, Liebe und Verantwortung miteinander leben zu lassen. Vielleicht ist das der Grund, warum Paulus schreiben kann: „Wer also heiratet, handelt gut, und wer nicht heiratet, handelt besser.“ (1. Korinther 7,38) Auch gute Freundschaften stillen den Wunsch nach Gemeinschaft und formen den Charakter.
3 Mason, a.a.O.; S.110, Hervorhebung original


Zum Weiterlesen:

Der heilige Hafen. Wie uns die Ehe näher zu Gott bringt
Gary L. Thomas
Brockhaus Verlag
ISBN: 3417207010
216 S.
9,95 EUR
Bild: Brockhaus Verlag
 

 

 


 

 

 

 Hanna Willhelm

Hanna Willhelm

  |  Redakteurin

Hanna Willhelm ist Theologin und Redakteurin im Bereich Radio und Online. Sie ist fasziniert von der Tiefe biblischer Texte und ihrer Relevanz für den Alltag. Zusammen mit ihrer Familie lebt die gebürtige Badenerin heute in Wetzlar und hat dabei entdeckt, dass auch Mittelhessen ein schönes Fleckchen Erde ist.

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Kommentare (2)

M. H. /

Diese Worte bringen den Glauben an eine funktionierende Ehe zurück! Sogar an die eigene, auch wenn der Partner seinem Ego Vorrang gegeben und die Liebe verdrängt und vergessen hat.
Eine Ehe mehr

Alfred A. /

Danke, ein sehr guter Aufsatz.
Erst jetzt im Alter denke ich so intensiv über die Ehe nach und kann diesen Ausführungen voll zustimmen.

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