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/ Bibel heute

Jesu Verurteilung und Verspottung

Jörg Michel über Markus 15,16-23.

Die Soldaten aber führten ihn hinein in den Palast, das ist ins Prätorium, und riefen die ganze Kohorte* zusammen und zogen ihm einen Purpurmantel an und flochten eine Dornenkrone und setzten sie ihm auf und fingen an, ihn zu grüßen: Gegrüßet seist du, der Juden König![...]

Markus 15,16–23

Der gegeißelte Jesus wird in den Palast geführt. Den Rücken blutig geschlagen, voller Schmerzen gelangt Jesus ins Prätorium. Das ist der Amtssitz des römischen Statthalters Pontius Pilatus in Jerusalem; dieser befand sich wohl im herodianischen Königspalast am Westrand der Stadt.

Eine weitere Etappe auf dem Weg des Schmerzes, des Kreuzwegs, seines Weges zum bitteren Tode am Kreuz nimmt Jesus Christus hier auf sich. Dies alleine allerdings genügt offensichtlich nicht. Die Soldaten, die ihn hineinschleppten, riefen ihre Kameraden zusammen. Eine ganze Horde grölender Soldaten erfreute sich an ihrer Zügellosigkeit und Ausgelassenheit: Sie verspotteten nun den fleischgewordenen Sohn Gottes. Er hatte sich „König der Juden“ nennen lassen, was ihm die Schriftgelehrten und Priester als Verbrechen zur Last legten, denn er maßte sich damit an, im jüdischen Volk zu herrschen. So verhöhnten ihn die Soldaten dadurch, dass sie ihm seine Kleider auszogen und ein Purpurgewand umlegten. Ein Gewand, das die alten Könige trugen. Statt der Kopfbinde setzten sie ihm eine Dornenkorne auf, die tief in sein Fleisch drang. Hier war der „König der Juden“, der geschlagen wurde, angespuckt und von römischen Soldaten mit vermutlich niedrigem Rang beleidigt. Die Dornenkrone war der Schlusspunkt ihres Spottes, indem ein Symbol der Könige und Majestäten, in etwas Schmerzhaftes und Herablassendes verwandelt wurde. Statt des Zepters gaben sie ihm ein Rohr und huldigten ihm spöttisch. Dabei schlugen sie ihm auf das Haupt, die Dornenkrone drang tiefer in seinen Körper ein – welche Schmerzen hielt Jesus aus!? Sie schlugen ihm aufs Haupt, als hätte er sich fälschlich König genannt, als wäre er nicht der eingeborene Sohn Gottes. Gottes Sohn selbst wird von Menschen geschlagen und gedemütigt!

„Wenn sie nur geahnt hätten, wen sie vor sich hatten! Es war der Sohn Gottes, dem sie ein Purpurgewand umlegten. Sie krönten ihren eigenen Schöpfer mit Dornen. Sie verspotteten den Erhalter des Universums als König der Juden. Sie schlugen den Herrn des Lebens und der Herrlichkeit auf das Haupt. Sie spien den Friedefürsten an. Spottend beugten sie ihre Knie vor dem König der Könige und dem Herrn aller Herren.“

Nach der Geißelung wurde das Opfer gezwungen, den schweren Querbalken seines eigenen Kreuzes zur Hinrichtungsstätte zu tragen. Dieser Balken wog ca. 50kg. Was Simon von Kyrene hier tun musste, ist ein Bild für unser Tun; wird zum Vorbild für uns. Im Tragen unseres oft schweren Kreuzes haben wir Anteil am Kreuz Jesu. Dieses Kreuztragen ist ganz konkretes Christ-sein, ein Leben in der sprichwörtlichen Nachfolge Christi. Viele wünschen sich ein leichtes, von der Last eines Kreuzes befreitem Leben. Doch wenige bitten um Kraft, ein Kreuz tragen zu können. Theresia von Avila sagte: „Bete nicht um leichtere Last, sondern um einen stärkeren Rücken.“

Jesu Verhalten beschämt mich. Wie oft bin ich unangenehmen Dingen ausgewichen, die ich hätte nach Gottes Willen auf mich nehmen und ertragen sollen. Wenn eine Krankheit oder ein anderes Leid über uns kommt, dann nehmen es die wenigsten demütig aus des Vaters Hand und sagen: „Dein Wille geschehe.“ Eher wird mit Gott gehadert oder an seiner Liebe gezweifelt. Manch ein Dienst an Mitmenschen fällt sehr schwer, weil es sich vielleicht um einen schwierigen Menschen handelt und der Dienst nicht mit Dank oder Anerkennung verbunden wird. Wenn jemand durch eigene Schuld in eine missliche Situation geraten ist, dann wird oftmals nicht mitangepackt, um die Folgen dieses Fehlers wiedergutzumachen; oft wird gesagt: Soll der doch die Suppe selbst auslöffeln, die er sich eingebrockt hat. Ja, Jesu Verhalten bei der Kreuzigung beschämt: Da hat er nämlich eben die Suppe ausgelöffelt, die wir uns mit unserer Sünde eingebrockt haben. Da hat er sich nicht gedrückt vor dem bitteren Kelch des Leids. Daher verweigert Jesus den Myrrhenwein. Diesen boten ihm die Soldaten an. Es war eine Art Betäubungsmittel, das seine Sinne benebeln sollte. Er wollte dem Leidenskelch nicht ausweichen, den sein himmlischer Vater ihm zumutete. In Gethsemane hatte er noch gebetet: „Mein Vater, ist‘s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst!“ (Mt 26,39). Nun wusste er: Es ist des Vaters Wille, dass er den Leidenskelch trinken soll. Deshalb verzichtete er auf den Betäubungstrank. Was für ein Gang! Welch‘ Tortur legt unser Herr und Heiland Jesus Christus sich selbst auf, um uns zu erretten, zu erlösen und den Weg zu Gott freizumachen. Paul Gerhard wusste zu dichten: „Nun, was du, Herr, hast erduldet, ist alles meine Last; ich, ich hab' es selbst verschuldet, was du getragen hast. Schau her, hier steh' ich Armer, der Zorn verdienet hat; gib mir, o mein Erbarmer, den Anblick deiner Gnad!“ (O Haupt voll Blut und Wunden).

Für viele Juden und Heiden sieht Jesu Weg und Geschick wie menschliche Schwäche und Hilflosigkeit aus. Pilatus‘ Entscheidung erscheint wie eine politische Entscheidung aus Neid und Missgunst. Das Verhalten der Soldaten zeigt übles und böses Tun. Doch in Wahrheit ist das der Weg, den Gott seinen Sohn um der Schuld der Welt willen gehen lässt. Das Ziel Gottes ist, Gemeinschaft mit den Menschen zu haben und die Schuldfrage zu lösen. Jesus begleicht diese Schuld; er gibt sein Leben als Lösegeld, damit alle, die an ihn glauben, Vergebung der Sünden und neues Leben aus Gott haben können.

Ein Theologe der alten Kirche, Hieronymus, hat formuliert:

Seine Verhöhnung aber tilgte unsere Schmach, seine Fesseln machten uns frei! „Durch die Dornenkrone seines Hauptes haben wir das Diadem des Reiches erlangt, durch seine Wunden wurden wir geheilt.“ (Hieronymus)

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