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08.03.2010 / Interview / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Michael Gerster

"Natürlich mache ich mich damit angreifbar!"

Warum ein christlicher Jugendleiter ein Buch über Pornosucht geschrieben hat und wie er Jugendlichen hilft, mit dem Thema umzugehen.

Herr Pahl, Sie haben ein Buch über Pornosucht geschrieben. Warum?

Das hat zwei Gründe. Zum einen gab es für junge Erwachsene noch kein Buch zu diesem Thema. Und vor allem kein Buch, das man auch einem Nichtchristen zum Lesen hätte geben können. Der andere Grund lag in der persönlichen Betroffenheit. Wenn man so ein Buch schreibt, kann man das nur tun, wenn man selbst die Situation kennt. Das kann man nicht mit dem erhobenen Zeigefinger schreiben.

Wie haben Sie persönlich das Thema erlebt?

Für mich war Pornografie schon früh ein Thema. Man fängt mit irgendwelchen Katalogen an, in denen Frau in Bikinis abgebildet sind. Es ist relativ logisch, dass man das als junger Mann spannend findet. Dann hab ich Internet bekommen und damit auch Zugang zu Erotikseiten. Ich merkte dann aber, dass mir das irgendwie nicht gut tut. Einerseits wollte ich mir diese Seiten nicht ansehen - und trotzdem war ich fasziniert davon und konnte es nicht lassen.

Diesen Spagat habe ich immer wieder erlebt. Ich habe mit Leuten darüber geredet, habe aber auch gemerkt, dass ich davon nicht loskomme. Ich würde nicht sagen, dass ich süchtig war, aber es hatte Züge, die suchtartig waren. Und so erlebe ich es bei vielen jungen Männern. Da kann man noch nicht von einer Internetsexsucht reden, was mittlerweile auch ein psychologisches Krankheitsbild ist. Doch viele junge Männer merken eins: Sie würden's gerne lassen, können es aber nicht.

Wo fängt Intersexsucht an?

Nicht mehr gut ist es bereits, wenn man ab und zu Pornos konsumiert. Da sehe ich auch schon Auswirkungen aufs das reale Leben, auf reale Beziehungen. Richtig kritisch – und dann braucht man auch psychologische Hilfe - wird es, wenn es sich auf den Alltag auswirkt. Wenn man seine Beziehungen nicht mehr pflegen kann, wenn man die ganze Nacht rumsurft und am nächsten Tag in der Schule oder auf der Arbeit total übermüdet ist. Wenn man sich also aus dem normalen Leben zurückzieht in diese Scheinwelt des Internetsex. Dann kommt man mit normaler Seelsorge auch nicht mehr weiter, sondern braucht professionelle Hilfe.

Sie haben das Thema aus persönlicher Betroffenheit erlebt. Gleichzeit sind Sie aber auch Leiter einer christlichen Jugendorganisation. Wie erleben Sie den Umgang unter Jugendlichen mit Pornos und Internetsex?

Ich sehe so viele Jugendliche, die mit dem Problem konfrontiert sind. Viele sehen das Problematische an Pornos gar nicht. Ich habe neulich wieder mit Elf- und Zwölfjährigen geredet, die mir alle erzählt haben: "Na klar habe ich Pornos gesehen, aber wo ist denn da eigentlich dein Problem?". Das sind Jugendliche, die gar nicht realisieren, dass es ihnen irgendwie nicht gut tun könnte. Sie verstehen nicht, dass es Auswirkungen auf ihr reales Bild von Sexualität, auf ihre Beziehungen zu Frauen haben könnte.

Pornos sind ein Riesenthema, gerade bei Jungs. Da werden Pornos von Handy zu Handy getauscht. Eltern thematisieren das oft nicht, weil Sexualität eh so ein „schmuddeliges Thema“ ist. Und sie wissen auch nicht, wie sie damit umgehen sollen, weil es in ihrer Jugendzeit noch nicht so ein großes Thema war. Da wächst eine Generation heran, für die Pornos irgendwie dazu gehören. Ich denke, wenn diese Jungs dann mal reale Beziehungen haben, dann merken sie: „Hey, das funktioniert gar nicht so wie in den Pornos!“ Das wird für sie ziemlich schwierig sein. Es könnte dann sogar passieren, dass sie vielleicht Mädels zu irgendwas zwingen, was sie gar nicht wollen.

Haben Jugendliche mit christlichem Hintergrund eher mehr oder eher weniger Probleme mit Pornos?

Ich kann schlecht vergleichen, wer da mehr oder weniger Probleme hat. Ich glaube, für christliche Jugendliche ist der Spagat schwieriger, zum einen weil sie stärker spüren: „Irgendwie ist das was, was mich nicht glücklich macht“ - es aber dann trotzdem tun. Zum andern wachsen sie oft in Elternhäusern auf, in denen Sexualität tabuisiert wird. Und alles, was tabuisiert wird, ist natürlich viel spannender. Deswegen glaube ich, dass der Reiz für christliche Jugendliche vielleicht sogar noch größer ist.

Wie gelingt es Ihnen, offen mit Jugendlichen über Pornos und Sexsucht zu reden?

Ich rede von mir selbst. Und das ist oft der große Schlüssel. Natürlich mache ich mich damit angreifbar und verletzlich. Aber es geht nicht anders. Ich würde natürlich lieber mein Bild des frommen Jugendleiters wahren, aber das funktioniert nicht.
Wir müssen einfach ganz ehrlich werden und anfangen von uns selbst zu reden. Dann funktioniert das auch. Ich erlebe, dass es sehr viel bringt in geschlechtergetrennten Gruppen zu arbeiten, gerade zu dem Thema "Sexualität". Dabei entstehen auf Freizeiten oder in Hauskreisen ganz tolle Gespräche. Wenn Männer, wenn Jungs wirklich ehrlich werden und nicht nur platt irgendwelche Sprüche machen. Dann kann man auch über Fragen und Probleme reden.

Was empfehlen Sie Jugendlichen, die sich öffnen und die sagen: „Ich will da raus!“

Jugendlichen, die aufhören wollen empfehle ich, sich bewusst mit dem Problem auseinanderzusetzen und mit Leuten darüber zu reden. Wenn man Christ ist, kann man darüber hinaus auch beten und das Thema zu Gott bringen. Ganz praktisch empfehle ich oft einen Internetfilter. Das kann helfen, wenn jemand anders das Passwort hat.

Wenn ich mit Jugendlichen in einem seelsorgerlichen Gespräch bin, gehe ich noch einen Schritt weiter und frage sie: Wann konsumierst du Pornos? Und warum konsumierst du sie? Ich stelle dann die Frage: Wonach sehnst du dich eigentlich? Was ist deine Ursehnsucht dahinter? Dann kommt ganz oft: „Weil ich einsam bin. Weil mir langweilig ist, weil ich gerade keine Freunde haben oder weil ich kein Hobby habe.“ Wenn man sein Leben gestaltet, zum Beispiel durch gelingende Beziehungen, dann wird Pornografie auch gar nicht mehr so ein Thema sein.

 

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Links zum Thema
Online-Workshop zum Thema Pornosucht: www.porno-ausweg.de
Informationen zum Thema und Berichte von Betroffenen: www.loveismore.de 
Sexualethik und Seelsorge: www.weisses-kreuz.de/

Bild: Francke Verlag

Ihr Kommentar

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Kommentare (10)

Gottfried Pendl /

@farkas
Danke für deine Meinung und es stimmt,das der Sex nur Platz hat in der Ehe,aber die EHE beginnt laut Bibel,sobald ein Mann und Frau eins werden,und damit ist der Geschlechtsverkehr mehr

farkas /

@Gottfried P.
"SEXUALITÄT ist ein Geschenk"
Stimmt, ELEKTRIZITÄT ebenfalls. Dass etwas "geschenkt" ist, sagt aber noch garnichts über dessen korrekte "Anwendung" aus. Gott verschweigt und beschönigt mehr

Gottfried Pendl /

Es gehört einmal gesagt,die SEXUALITÄT ist ein Geschenck GOTTES,also warum wird alles was da in Punkto Sex ist ,so verteufelt und alles gleich auf Porno ausgelegt.Sogar David sagt;In Sünde empfing mehr

farkas /

"Porno hat letzten Endes nullkomma nichts mit Beziehung zu tun"
Irrtum! ein sogar sehr gefährliches!
Porno ist nicht einfach nur die banale Befriedigung eines natürlichen Bedürfnisses. Porno ist mehr

D.Issersstedt /

Gut,dass da jemand mal Tacheles spricht.Ich mache mir da so meine Gedanken allein durch das,was man im "Vorbeigehen" über die Medien mitbekommt.Das kann nicht gut sein.
Was mit Sexualität mehr

marijke /

@farkas
ehrlich gesagt, finde ich, dass du recht hast. ich bin eine etwas ältere frau und wuchs in zeiten des feminismus auf. trotzdem schockt mich das derzeitige auftreten von frauen eher nachhaltig mehr

testus /

Ich halte das für eine absolut gewagte These, dass Männer nicht zwischen Fiktion und Wirklichkeit unterscheiden können. Es gibt sicherlich welche, die das nicht können, aber Porno hat letzten Endes mehr

farkas /

@Rainer
"immer nur auf den Mann bezogen"
Das ist ein Zeitphänomen und vergiftet das Miteinander Mann/Frau nachhaltig. Ich habe selber keine plausible Erkärung dafür. Das einzige was ich für mich mehr

Rainer /

Provokante Frage: Warum rege ich mich letztlich noch über ein paar Videoclips auf, wenn die ganze Gesellschaft eh schon sexualisiert ist? Ob Mode, Musik, Fernsehen, Sport, Arbeitswelt, Freibad, mehr

Hektor Pedo /

Danke für ihre Bemühungen. Ich denke jedoch, dass ihre These, ob männliche Jugendliche spätere Partnerinnen aufgrund medial erfahrener Praktiken ihnen diese tatsächlich abverlangen würden. Das halte mehr

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