Navigation überspringen
Mut zur Schwäche

/ Wochenration / Lesezeit: ~ 3 min

Mut zur Schwäche

Warum es nicht schlimm ist, zu weinen.

Das habe ich heute tatsächlich so gesagt: „Ich hasse Menschen, die die ganze Zeit heulen.“ In dem Moment meinte ich das auch so. Trotzdem war ich kurz danach über mich selbst erschrocken. So etwas zu sagen ist verurteilend, unreflektiert, stolz, herablassend, verletzend und nicht gerechtfertigt. Das Wort „hassen“ ist ein sehr hartes Wort. Es bedeutet tiefste Ablehnung. Wieso sage ich das?

Ist Weinen schwach?

Weinende Menschen habe ich lange Zeit als schwach abgestempelt. Ich habe sie belächelt und dafür verurteilt, dass sie sich und ihre Gefühle nicht ausreichend unter Kontrolle haben. Das ist natürlich ganz schön willkürlich und Quatsch. Erstens sind Gefühle nicht dafür da, um kontrolliert zu werden. Ich muss sie auch nicht verstecken.

Zweitens ist es nicht schlecht durch Weinen seine Schwäche zu zeigen. Zudem weint man ja auch nicht immer aus Schwäche. Es kann auch Freude oder Mitgefühl bedeuten. Drittens habe ich kein Recht, so über Menschen zu urteilen. Trotzdem habe ich diese Aussage getroffen.

Mein wunder Punkt

Irgendwie triggert es mich extrem, weinende Menschen zu sehen. In den letzten Jahren habe ich mit aller Macht versucht, meine Gefühle zu kontrollieren, insbesondere, wenn ich mit anderen Menschen zusammen gewesen bin. Ich wollte möglichst gut anzukommen und fröhlich, kontrolliert und stark wirken. „Negative“ Emotionen passten für mich nicht in meine Vorstellung von Stärke hinein.

Ich tat so, als hätte ich keine Angst, als müsste ich nicht weinen, als könnte mich nichts schockieren. Folglich schottete ich mich ab, ließ niemanden an mich ran. Ich verbarg nicht nur die „negativen“ Gefühle, sondern auch die echte Freude.

Warum war das so? Ich weiß es nicht so genau. In meinen frühen Teenagerjahren hatte ich weniger Probleme damit, das zu zeigen, ich konnte auch vor anderen Menschen weinen. Eine Zeit lang habe ich das sogar sehr oft getan. Zu dem Zeitpunkt ging es mir ziemlich schlecht. Das führte dazu, dass ich oft an jedem beliebigen Ort anfing zu weinen. Gründe waren miese Gedanken, Überforderung, Stress, Angst. Das war natürlich nicht angenehm, aber ich zwang mich auch nicht, es zurückzuhalten. Später wollte ich nie wieder in diesen „Zustand“ zurückkehren.

Was ist passiert?

Ein Mittel war, dass ich die Gefühle so gut es ging ausblendete. Das ist natürlich anstrengend. So wie das immer der Fall ist, wenn man sich als jemand ausgibt, der man gar nicht ist. Vor allem wusste ich, dass ich doch eigentlich emotional manchmal nah am Wasser gebaut bin und meine Gefühle an manchen Tagen Achterbahn fahren. Doch nach außen hin versuchte ich, die Fassade zu bewahren. Mich zu kontrollieren gab mir ein Gefühl der Sicherheit. Um die Fassade zu stärken, erhob ich mich über Menschen, die mit ihren Gefühlen offener umgingen.

Hält die Fassade?

Im letzten Jahr fing meine Fassade immer mehr an zu bröckeln. Einerseits bin ich dafür dankbar, andererseits erkenne ich selbst mich immer mehr. Wenn mir nach Weinen zumute ist, und ich es auch nicht mehr schaffe es zurückzuhalten, höre ich in meinem Kopf: „Wenn du weinst, ist das schwach. Aber du willst doch stark sein. Was denken dann die anderen?“

Ich weiß, dass es egal ist, was andere über mich denken. Und ich habe auch Menschen um mich herum, die mich immer wieder daran erinnern, dass ich die Erwartungshaltung der anderen nicht erfüllen muss. Was zählt also? Das, was Jesus über mich denkt und wie er mich sieht. Voller Liebe, Gnade und Freude. Das vergesse ich so oft und denke stattdessen in den Mustern, von denen mich Jesus schon längst befreit hat.

Weinen ist nicht schwach

Ganz im Gegenteil, mittlerweile bewundere ich Menschen, die das so zeigen können. Allgemein ist Schwäche nicht schlecht. Ich sehne mich danach, diese Freiheit in Jesus mehr und mehr zu erkennen und wirklich zu erleben. Dazu gehört auch so sein zu können, wie ich bin. Das klingt so gut und einfach. Aber ich bin so anders als ich wollte und selbst dachte. Also werde ich mich in nächster Zeit selbst mehr kennenlernen und hoffentlich annehmen können. Das überfordert mich oft, dafür brauche ich Zeit und Ruhe. Doch ich weiß, das ist dran. Und ich bin dankbar für meine Freunde, die mich unterstützen. Vor allem aber Jesus. Er ist da, tröstet mich, motiviert mich. Danke Jesus!

Dieser Text von Juliane Dupont wurde zuvor auf www.keineinsamerbaum.org veröffentlicht.

Ihr Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Alle Kommentare werden redaktionell geprüft. Wir behalten uns das Kürzen von Kommentaren vor. Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.

Das könnte dich auch interessieren