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Glaubenskrise: Glaube auf dem Trockenen

Glaubens-FAQ / Lesezeit: ~ 10 min

Autor/-in: Joachim Bär

Glaubenskrise: Glaube auf dem Trockenen

Ob das Schicksal zuschlägt oder dem Glauben schlicht die Luft ausgeht: Glaubenskrisen können jeden treffen. Woher kommen sie und wie kann ich mit ihnen umgehen?


Auto kaputt, andauernder Streit in der Familie oder gar Arbeitsplatz weg: Eine Glaubenskrise kann viele Ursachen haben, manchmal ganz profane. Logisch. Wenn Gott doch alles in der Hand hat, stellt sich bei großen und kleinen Schicksalsschlägen vielen die Frage: Gott, was soll das? Schnell ist der Glaube an ihn auf die Probe gestellt, das Vertrauen in Gott bröckelt.

Manchmal ist auch einfach nur die Luft draußen, die Beziehung mit Gott ist schlicht in die Jahre gekommen. Wie die meisten Beziehungen wird auch die Freundschaft mit Gott normal, Alltagsgeschäft. Der christliche Glaube weist ganz natürliche Wellenbewegungen auf. Krisen scheinen dazuzugehören.

Der christliche Glaube weist ganz natürliche Wellenbewegungen auf. Krisen scheinen dazuzugehören.

 

Wie aber kommt es zu diesen großen und kleinen Krisen? Bin ich selbst dafür verantwortlich, prüft mich Gott oder versucht mich sein Gegenspieler? Was kann ich tun, wenn mein Glaube in Schwierigkeiten steckt? Und welche Chancen bietet die Krise?
 

Ein schönes Märchen

Es sind gerade Bibelstellen wie Psalm 91,10-12, die eine weit verbreitete Überzeugung unter Christen nähren. Dort heißt es: „Darum wird dir nichts Böses geschehen, kein Unheil darf dein Haus bedrohen. Gott hat seinen Engeln befohlen, dich zu beschützen, wohin du auch gehst. Sie werden dich auf Händen tragen, damit du nicht über Steine stolperst.“ Die Aussage scheint klar: Wer zu Gott gehört, wird hinfort auf Händen getragen und kann sich auf ein Leben ganz ohne Schwierigkeiten einstellen. Krisen passen nicht in dieses Bild.

Das Problem ist der eklatante Widerspruch zur Realität: Christen werden krank, gehen unverschuldet pleite und verlieren liebe Menschen. Die Überzeugung, dass Gott mich vor allem Unheil bewahrt, wirkt sich somit massiv auf die Wetterlage meines Glaubens aus. Je tiefer sie sitzt, desto schneller ist mein Glaube in der Krise, wenn etwas schief läuft. Gott landet auf der Anklagebank, die Beziehung zu ihm ist gestört. Damit ist klar: Gerade die handfesten Glaubenskrisen haben direkt mit der Frage zu tun, wie ich Leid und dessen Herkunft in meinem Leben einordne.

Die Überzeugung, dass Gott mich vor allem Unheil bewahrt, wirkt sich somit massiv auf die Wetterlage meines Glaubens aus.

 

Geht es nur mit geistlicher Brille?

Spreche ich von einer Krise im Glauben, meine ich ein geistliches Phänomen. Da liegt es nahe, die Ursachen dafür ebenfalls im geistlichen Bereich zu suchen. Das Problem ist aber, dass eine Krise unzählige und vielschichtige Auslöser haben kann. Sie kann durch meine falschen Erwartungen an Gott entstehen, verletzende Mitchristen, wenn eine Beziehung zerbricht oder durch eine Depression. Oft spielen mehrere Faktoren eine Rolle.

Manche davon scheinen keinen besonders geistlichen Hintergrund zu haben. Eine Winterdepression entsteht schlicht durch Lichtmangel und dem damit verbundenen Serotoninmangel im Gehirn. Dass eine Beziehung scheitert, liegt oft nicht in meiner Hand und mancher Mitchrist verletzt mich schlicht, weil er gerade schlechte Laune hat. Und doch können all diese Faktoren zu einer Glaubenskrise führen.

Es liegt somit auf der Hand, nicht vorschnell nach geistlichen Zusammenhängen zu suchen. Gerade die Suche nach Schuld bzw. nach einem Zusammenhang von Tun und Ergehen ist oft fehl am Platz (vgl. Lukas 13,1-4). Natürlich kann Gott durch Umstände zu mir sprechen, vielleicht will er mir etwas deutlich machen. Wer diese Zusammenhänge aber bis ins Detail in jedem Lebensumstand sucht, wird keinen befreienden Glauben erleben, wie ihn Jesus versprochen hat.
 

Woher Krisen kommen

Nichtsdestotrotz gibt es direkte Zusammenhänge beim Entstehen einer Glaubenskrise. Auch in geistlicher Hinsicht. Eine besondere Bedeutung kommt hierbei den Begriffen Versuchung bzw. Anfechtung zu, von denen die Bibel an einigen Stellen spricht. Beide können einen entscheidenden Anteil dazu beitragen, dass es zu einer Krise kommt. Sie beinhalten zwei wichtige Grundbedeutungen: Einen guten, förderlichen Sinn und einen bösen, zerstörerischen Sinn.
 

Ein Gott, der meinen Glauben testet

Im guten Sinne des Wortes kann eine Versuchung von Gott kommen (Hebräer 11,17Johannes 6,6). Gott ist es, der meinen Glauben auf die Probe stellt. Er prüft mein Vertrauen und will meinen Glauben formen, widerstandsfähiger machen, ihn unter Umständen reinigen und läutern. Er möchte herausfinden, ob ich ihn von ganzem Herzen liebe.

Ziel der ganzen Aktion ist etwas Gutes: Gott möchte, dass ich in meinem Vertrauen auf ihn gestärkt aus dieser Erfahrung hervorgehe. Gottes Versuchung ist also immer auf die Bewährung ausgerichtet, nicht auf das Scheitern. Er möchte mein Vertrauen stärken, nicht zerstören. Vom Ende der Versuchung her gedacht erweist sich Gott nicht als Feind, sondern als mein Unterstützer, der mich voran- und ihm näher bringen will.

Gott möchte, dass ich in meinem Vertrauen auf ihn gestärkt aus dieser Erfahrung hervorgehe. Gottes Versuchung ist also immer auf die Bewährung ausgerichtet, nicht auf das Scheitern.

 

In der Schusslinie des Bösen

Dagegen versucht der Gegenspieler Gottes, mich durch Versuchung zum Scheitern zu bringen. Er benutzt dazu äußerliche Umstände, aber auch gedankliche bzw. seelische Herausforderungen, um Menschen von Gott zu entfernen, sie zum Unglauben zu versuchen und zur Sünde bzw. zum Ungehorsam zu verlocken. Damit steht die Beziehung zwischen Mensch und Gott in Gefahr. Wenn möglich, soll das Vertrauensverhältnis völlig zerstört werden (vgl. z.B. 1. Thessalonicher 3,5).

Die Bibel thematisiert diesen auf Zerstörung ausgerichteten Sinn der Versuchung an einigen Stellen. Beispielsweise in der Urgeschichte, in der es zur Trennung von Gott kommt (vgl. 1. Mose 3). Oder im Lukasevangelium, das die Versuchung Jesu beschreibt (Lukas 4; s.a. Matthäus 4).

In diesen und anderen Bibeltexten wird deutlich: Wer Christ ist, steht in der Schusslinie. Das kann zu Glaubenskrisen führen, es besteht sogar die Gefahr, dadurch vom Glauben abzufallen. Der Gegenspieler Gottes wird alles daran setzen, dass es so weit kommt. Nicht umsonst ruft Paulus dazu auf, sich mit geistlichen Waffen gegen diese Angriffe zur Wehr zu setzen (vgl. Epheser 6,11-17). Und nicht umsonst hält Jesus seine Nachfolger an, gegen Versuchung zu beten (vgl. Matthäus 6,13).
 

Erwartet und willkommen

Bleibt die Frage, wie die Bibel Versuchung und Glaubenskrisen einordnet. Schon ein erster Blick auf die relevanten Passagen überrascht. Denn ihre Autoren erwarten nicht nur wie selbstverständlich, dass Christen Anfechtung und Versuchung erleiden (z.B. 1. Petrus 4,12). Sie reden sogar davon, dass sich derjenige glücklich schätzen kann, der in Versuchung fällt und somit Krisen durchmacht.

Wie kommen Petrus & Co. auf diese steilen Thesen? In erster Linie, weil sie ihren Blick nicht auf die vordergründige Krise oder Anfechtung richten, sondern auf das große Bild. Jakobus betont, dass Anfechtung die große Chance beinhaltet, im Glauben zu wachsen: „Ihr wisst doch: Wenn euer Glaube erprobt wird und sich bewährt, bringt das Standhaftigkeit hervor.“, schreibt er in seinem Brief (vgl. Jakobus 1,2-4). Gerade derjenige, der in Anfechtung besteht, ist zu beglückwünschen und wird ewiges Leben empfangen (Jakobus 1,12).

Petrus betont, dass Versuchung geradezu ein Kennzeichen von echter Nachfolge Jesu ist – und damit ein Grund zur Freude (1. Petrus 4,14-16). Auch Paulus spricht von den guten Auswirkungen von Anfechtung – so paradox das erst einmal klingt. Einmal überstanden, schafft sie eine umso tiefere Hoffnung (Römer 5,3-4). Es geht den biblischen Autoren also keinesfalls um eine Art Masochismus, der das Leid sucht, sondern um die positiven Auswirkungen, die daraus entstehen können.
 

Mitleiden mit Jesus

Mit der Versuchung ist ein weiterer Gedanke im Neuen Testament tief verwurzelt, der ebenfalls weit von jeglichem Masochismus entfernt ist: Die Identifikation mit Jesus. Wer sein Leben an Jesus Christus hängt, ist hinfort in vielfacher Weise mit ihm verbunden. Dazu gehören zum Beispiel seine Auferstehung (1. Korinther 15,22), aber auch die Verbindung mit seinem Tod und Sterben. „Auf Schritt und Tritt erfahren wir am eigenen Leib, was es heißt, am Sterben Jesu teilzuhaben“, schreibt Paulus in seinem zweiten Brief an die Korinther (2. Korinther 4,10; s.a. Römer 6,5).

Krisen, Anfechtungen und Leid haben für Christen also weniger mit Selbstverschulden oder Strafe Gottes zu tun. Sie sind oft schlicht Folge dieser Gemeinschaft mit Christus. Wie Jesus selbst sind Christen Anfechtung, Ablehnung und Hass ausgeliefert, weil sie zu Jesus gehören. Und wie der Versucher versuchte, Jesu göttlichen Auftrag zum Scheitern zu bringen, so will er auch Christen zum Scheitern bringen. Wenn also Christen Krisen durchmachen, abgelehnt und verfolgt werden, kommt dadurch auch ihre Einheit mit Jesus zum Vorschein.

Wenn also Christen Krisen durchmachen, abgelehnt und verfolgt werden, kommt dadurch auch ihre Einheit mit Jesus zum Vorschein.

 

Wir stehen nicht alleine da

Womit sich ein weiterer, sehr tröstlicher Gedanke anschließt, der für die Autoren der Bibel untrennbar mit Krisen und Anfechtung verbunden ist. Er ist in gewisser Weise der Umkehrschluss aus der Identifikation von Christen mit ihrem Herrn. Paulus schreibt: „Genauso nämlich, wie wir in ganz besonderem Maß an den Leiden von Christus teilhaben, erleben wir durch Christus auch Trost und Ermutigung in ganz besonderem Maß“ (2. Korinther 1,5).

Christen stehen in keiner Krise oder Anfechtung alleine da, weil sie mit Jesus verbunden sind. Gerade dann werden Christen sogar die Mut machende und rettende Kraft Gottes erleben (2. Korinther 1,6). Wer am Leiden Jesu Anteil hat, hat auch an seinem Trost und an seiner Ermutigung teil (2. Korinther 1,7). Gerade weil Jesus ebenfalls ständig in Versuchung stand und einige Krisen in seinem Dienst für Gott durchgemacht hat, kann er mitleiden und verstehen, was Christen durchmachen (Hebräer 2,18).

Außerdem sagt Jesus seinen Nachfolgern zu, dass keine Prüfung ihre Kraft übersteigt. Wenn Gott auf die Probe stellt, zeigt er Wege auf, sie auch zu bestehen – so seine Zusage (1. Korinther 10,13).
 

Was ich tun kann in der Krise

Glaubenskrisen haben oft profane Ursachen: Krankheit, Schicksalsschläge, Anfechtung oder schlicht der Nerven raubende Alltag. Deswegen bin ich aber keiner Krise völlig hilflos ausgeliefert und habe einiges in der Hand, um ihr vorzubeugen oder aus ihr herauszukommen.

Das gilt auch für das weite Thema der Versuchung, das so eng mit Glaubenskrisen verbunden ist. Gott entlässt mich nicht aus der persönlichen Verantwortung, für meinen Glauben zu sorgen. Schließlich ist es auch die eigene Begierde, die zu Versuchung führt (Jakobus 1,14). Das bedeutet, dass ich meine Schwachpunkte gut beobachte und darauf achte, was meine Augen sehen und was nicht, welche Worte ich höre und welche nicht, was ich tue und lasse.
 

Gedankliche Voraussetzungen überprüfen

Christen leben zudem noch nicht im Himmel, sondern in einer gefallenen Welt – ein weiterer Faktor, warum auch auf Christen Leid zukommt, ob sie nun nach Gottes Willen leben oder nicht. Ihr Glaube ist immer angefochtener Glaube, Glaube unter Beschuss. Diese Sichtweise ist die Basis für einen tragfähigen Glauben – und nicht die Rosa-Wolken-Utopie, die einige aus Psalm 91 herauslesen.

Natürlich hilft Gott in Anfechtung und in der Krise. Er ist auch mitten im Leid da. Gerade mitten im Leid kann er mich auf Engelsflügeln tragen und dafür sorgen, dass ich nicht falle. Glaube ich aber vor allem an Gott, um möglichst allen Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, sind Enttäuschungen vorprogrammiert. Die Fragen also, welches Bild ich von Gott habe, meine Erwartungen, wie Gott mit mir umgeht und woher ich denke, dass das Leid kommt, sind gerade beim Thema Krise besonders wichtig.

Das Wissen, dass Krisen also völlig normal sind, kann mich entspannen. Ich weiß, ich bin nicht der erste und nicht der letzte Mensch, der eine Krise durchmacht. Auch Gott weiß, was es bedeutet, wenn sich die Schwierigkeiten häufen. Für ihn sind Krisen erst einmal nichts besonders Schlimmes oder Außergewöhnliches. Er weiß sehr wohl damit umzugehen und wie er mir dabei helfen kann.
 

Gemeinschaft suchen

Sich anderen mitteilen, kann ein wichtiger Schritt sein, um eine Krise zu bewältigen. Damit ist erst einmal Gott gemeint. An ihn kann ich noch so zweifelnde, verzagte oder wütende Gebete richten. Einige Psalmen sind hierfür gute Vorlagen (z.B. Psalm 6Psalm 77). Immer noch besser, als die Kommunikation auf Eis zu legen. Ihn kann ich fragen, was das Ganze soll und was er mit der Situation vorhat. Zweifel kann ich vor Gott beim Namen nennen und ihn bitten, meinem Vertrauen auf die Sprünge zu helfen (Markus 9,24).

Auch die Gemeinschaft mit anderen Christen kann mir aus der Krise helfen. Es liegt eine große Kraft darin, sein Leid anderen Menschen zu klagen, die erst einmal gut zuhören – und später wirklich weiterhelfen können, sei es mit ihrer Lebenserfahrung oder ihrem überzeugenden Glauben, der mitträgt. Wenn mir die Kraft zum Beten fehlt, können sie für mich beten.
 

Ballast meiden

Manche Dinge halten mich davon ab, ganze Sache mit Gott zu machen: Zum Beispiel Schuld, die nicht vergeben ist. Unausgesprochener Groll gegen Gott. Schlechte Angewohnheiten, die ich nicht angehen will. All das behindert meinen Glauben und trennt damit ein Stück weit von Gott – was logischerweise den Glauben in eine Krise führen kann.

Diese Hindernisse sollte ich meiden und angehen. Natürlich kann ich auch mit der einen oder anderen Last eine Zeit lang weitermachen. Zu einer Krise kommt es allerdings dann umso leichter, je mehr Belastung ich ohnehin schon mit mir herumschleppe. Auch hier können andere Christen eine große Hilfe sein, denen ich von diesen Dinge erzähle, also z.B. beichte und den Ballast zusammen vor Gott ablade und ins Reine bringe. Das hilft, die Sachen auf den Tisch zu bringen, aber auch dabei, verbindlich die Dinge anzugehen und Gottes Vergebung sehr konkret durch den anderen Christen zu erfahren.
 

Das große Bild sehen

Zu einem guten Stil, mit Krisen und Anfechtungen umzugehen, gehört aber vor allem, das große Bild zu sehen. Wie die biblischen Autoren, die sich gegenseitig fast überbieten, die positiven Aspekte von Versuchung zu betonen. Die Ausrichtung auf diese Zusagen kann mancher Krise den Schrecken nehmen. Die tiefe Wahrheit der biblischen Aussagen kann mir helfen, zielgerichtet zu leben und nicht in den vordergründigen Schwierigkeiten steckenzubleiben.

Diese Ausrichtung trägt mehr als alles andere. Ich kann mir sicher sein: Gott ist bei mir und hält mich – gerade in der Krise. Keine Krise ist umsonst. Wer sich auf Jesus einlässt, kommt also um Krisen und Versuchungen nicht herum. Die tröstliche Perspektive ist aber: So wie ich heute in der Verbindung mit Jesus Krisen durchmache und selbst Leid auf mich nehme, wird er mich eines Tages auch an seiner Herrlichkeit teilhaben lassen. Eine Herrlichkeit, die frei ist von Krisen und Anfechtung.

 Joachim Bär

Joachim Bär

  |  Unit Leader erf.de / Antenne

Koordiniert die übergreifenden Themen der redaktionellen Angebote des ERF. Er ist Theologe und Redakteur, ist verheiratet und hat zwei Kinder.